Das Harvard-Konzept
tun. Sie möchten unbedingt das große Büro mit der schönen Sicht; Ihr Partner ebenfalls. All das kann man nicht unter den Teppich kehren.
Bloße Willensentscheidungen kommen teuer
Üblicherweise suchen Verhandlungspartner solche Konflikte durch das Feilschen um Positionen zu lösen – mit anderen Worten, indem sie über das reden, was sie akzeptieren wollen und was nicht. Mancher Verhandlungspartner fordert wesentliche Zugeständnisse oft nur, weil er eben darauf besteht: »Der Preis ist 120 Euro, und dabei bleibt’s.« Ein anderer macht vielleicht ein großzügiges Angebot, weil er auf irgendeinen Vorteil oder auf Freundschaft hofft. Ob das Ganze nun zu einem Wettbewerb darüber wird, wer der hartnäckigste ist oder wer der großzügigste sein mag – solche Verhandlungsprozesse beziehen sich nur auf das, was jede Seite als Übereinkunft haben |121|
möchte.
Das Ergebnis leitet sich von einer Interaktion zwischen zwei menschlichen Wesen her – fast so, als ob die Verhandlungspartner auf einer einsamen Insel leben würden, ohne Geschichte, ohne Sitten und ohne moralische Prinzipien.
Wie schon am Anfang des Buches diskutiert, verursacht die Beilegung von Differenzen auf der Basis des Willens hohe Kosten. Kaum eine Verhandlung wird effektiv oder gütlich verlaufen, wenn Sie nur Ihren Willen gegen den der anderen setzen, gleichgültig, ob am Ende Sie nachgeben oder die anderen. Ob Sie einen Platz zum Essen suchen, ein Geschäft organisieren oder über das Sorgerecht für Ihr Kind verhandeln: Sie werden kaum ein vernünftiges Übereinkommen auf der Grundlage objektiver Prinzipien zustande bringen, wenn Sie nicht einen entsprechenden Standard in Ihre Verhandlung einbauen.
Hat die Lösung von Differenzen durch Willenskampf also hohe Kosten zur Folge, so sollte der bessere Ansatz darin bestehen, dass man auf einer vom beiderseitigen Willen
unabhängigen
Basis verhandelt – das heißt also, auf der Basis von objektiven Kriterien.
Das Argument für die Anwendung objektiver Kriterien
Nehmen Sie einmal an, Sie haben einen Festpreis beim Bau Ihres Hauses abgeschlossen. Darin wird zwar das Fundament als solches erwähnt, nicht aber, wie tief es genau sein soll. Der Bauunternehmer plant 0,80 m. Sie halten jedoch 1,25 m entsprechend dem Bautyp für angemessener.
Nehmen wir an, der Bauunternehmer sagt: »Ich habe Ihnen Stahlträger für das Dach zugesagt. Da könnten Sie mir auch die Fundamenttiefe überlassen.« Nun würde kein rechter Hauseigner hier nachgeben. Er will keinen Kuhhandel, aber er besteht darauf, dass der Streit auf der Grundlage objektiver Sicherheitsstandards entschieden wird. »Schauen Sie, es kann ja sein, dass ich Unrecht habe. |122| Vielleicht reichen 80 cm aus. Was ich möchte, sind Fundamente, die fest und tief genug sind und das Haus sicher tragen. Gibt es da nicht genaue staatliche Bauvorschriften? Wie tief sind die Fundamente in anderen Häusern hier in der Gegend? Gibt es hier Erdbeben? Wo, meinen Sie, könnten wir Kriterien zur Lösung dieser Fragen herbekommen?«
Einen guten Vertrag auszuarbeiten ist genauso schwer wie ein gutes Fundament zu bauen. Wenn man sich nun aber in dem Fall des Hauseigentümers und des Bauunternehmers so gut auf objektive Standards verlassen kann, warum dann nicht auch bei Geschäftsabschlüssen, kollektiven Verhandlungen, Rechtsabkommen und internationalen Verhandlungen? Warum soll man nicht darauf bestehen, dass ein ausgehandelter Preis auf Kriterien wie Marktwert, Wiederbeschaffungskosten, Verkehrswert oder Konkurrenzangebote gründet, anstatt auf irgendwelchen Forderungen des Verkäufers?
Kurz gesagt: Der Ansatz besteht darin, dass sich Ihre Lösung auf Prinzipien gründet und nicht durch gegenseitigen Druck zustande kommt. Konzentrieren Sie sich auf die Sachlage und nicht auf den Eifer der Partner. Seien Sie offen für Vernunftgründe, aber verschließen Sie sich jeglicher Drohung.
Sachbezogenes Verhandeln bringt auf gütliche und wirkungsvolle Weise vernünftige Übereinkünfte zustande
Je stärker Sie die Kriterien der Fairness, der Effektivität oder der wissenschaftlichen Sachbezogenheit bei Ihrem speziellen Problem zum Tragen bringen, um so wahrscheinlicher werden Sie am Ende zu einem vernünftigen und fairen Resultat gelangen. Je mehr Sie und die Gegenseite sich auf frühere und auf die allgemein übliche Praxis beziehen, um so größer ist Ihre Chance, von der vorangegangenen Erfahrung zu profitieren. Steht ein Abkommen mit früheren Fällen im
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