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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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und aufbrausend, aber ich glaube nicht, dass er etwas Boshaftes in sich trägt.«
    Dragomira seufzte. »Du würdest Bosheit nicht einmal erkennen, wenn sie dir ins Gesicht spuckt, mein Prinz.«
    Otto lächelte. »Es ist jedenfalls rührend, dass du um mich besorgt bist.«
    Ich bekomme ein Kind von dir , dachte sie, und du bist alles, was zwischen mir und dem Abgrund steht . Sie war eine Geisel am Hof ihrer Feinde. Das war schlimm genug. Aber viel schlimmer war, dass sie niemals nach Hause zurückkehren konnte, selbst wenn Otto ihrer überdrüssig wurde und sie fortschickte. Nicht mit einem Sachsenbalg. Die Heveller hätten sie und ihr Kind getötet oder ausgestoßen, auf dass sie allein in den Wäldern zugrunde gingen. Für Tugomir mochte es eines Tages einen Weg zurück geben. Für sie nicht. Ihr Schicksal war viel schlimmer als das seine, und doch zeigte ihr Bruder ihr die kalte Schulter, so als trage sie selber die Schuld an ihrer Lage oder als habe sie ihm Schande gemacht. Sie wandte den Blick ab und blinzelte ein paarmal, schärfte sich ein, nicht an Tugomir zu denken, solange Otto bei ihr blieb, denn sie wollte ihm nichts vorheulen. Sie wusste, sie musste lebenslustig und verführerisch sein, um sein Interesse wachzuhalten. »Lass uns in deine Kammer gehen, und ich zeige dir, wie besorgt ich um dich bin«, schlug sie vor.
    Der Prinz biss sich auf die Unterlippe und setzte zu einer Erwiderung an, als das Daleminzermädchen zurückkam und ihm seinen Met und eine Schale kleiner, leuchtend roter Walderdbeeren brachte.
    Otto schlug die Beine übereinander, wählte eine Frucht aus und steckte sie Dragomira zwischen die Lippen. »Hier, mein Täubchen. Lass uns eine Freude nach der anderen genießen, was meinst du?«
    Sie ließ sich die Erdbeere auf der Zunge zergehen und lehnte den Kopf an die breite Schulter des Prinzen. »Wenn das Kind ein Junge wird, Otto, wirst du ihn anerkennen?«
    Er strich mit den Händen über ihre Oberarme. »Gewiss. Ein Mädchen ebenso.«
    »Aber eure Priester werden dir zürnen, oder? Deine Mutter erst recht.«
    »Das lass nur meine Sorge sein. Der Bischof wird klug genug sein, ein Auge zuzudrücken. Und meine Mutter … runzelt über alles, was ich tue, die Stirn. Es ist also egal, ob ich einen Bastard anerkenne oder nicht.«
    Sie fuhr mit den Lippen über seine stoppelige Wange und erging sich für einen Moment in dem köstlichen Gefühl der Erleichterung. Sie hatte ihren ganzen Mut zusammennehmen müssen, um ihm diese Frage zu stellen, und die Götter hatten ihren Mut belohnt. Sie wusste noch nicht sehr viel über die Sitten der Sachsen, aber eins war wohl sicher: Wenn ein Prinz ein Kind anerkannte, dann würde man der Mutter dieses Kindes Ehre erweisen. Während Otto abwechselnd sich selbst und ihr Erdbeeren in den Mund steckte, malte sie sich aus, wie es wohl sein würde: eine kleine Kammer irgendwo in einem entlegenen Winkel der weitläufigen Königspfalz, wo sie umsorgt von Dienern allein mit ihrem Kind leben würde. Sie würde es aufwachsen sehen und die Sitten der Heveller lehren, und wenn der Prinz in der Pfalz weilte, würde er kommen und ihnen dann und wann Gesellschaft leisten, auch wenn er vielleicht längst mit irgendeiner fränkischen Königstochter vermählt war. Denn die Frau, die einem Mann sein erstes Kind schenkte, nahm immer einen besonderen Platz in seinem Herzen ein. Jedenfalls hatte sie das gehört. Damit konnte sie sich begnügen, da war sie zuversichtlich. Dragomira hatte früh gelernt, keine hohen Ansprüche an das Leben zu stellen. Aber wenn Otto die Absicht hatte, ihr Kind anzuerkennen, dann würde er auch für sie sorgen. Mit einem kleinen Seufzer des Wohlbehagens schmiegte sie sich an ihn, als er sich plötzlich aufrichtete und sie ein wenig von sich schob. »Da kommt Thankmar«, murmelte er.
    Der ältere Prinz mit dem dunklen Schopf kam geradewegs auf sie zu, und Dragomira kam in den Sinn, dass er trotz seiner untersetzten Statur athletisch wirkte. Sein Schritt hatte die katzenhafte Grazie eines lebenslangen Fechters. Vor ihnen hielt Thankmar an, musterte Dragomira einen Augenblick und sagte dann zu seinem Bruder: »Vater will dich sprechen. Reiß dich aus den Armen deiner schönen Fürstentochter. Am besten dauerhaft, denn wie es aussieht, hat er eine Braut für dich gefunden. Oder eigentlich zwei, um genau zu sein.«
    Tugomir betrat den Tempel der Sachsen von Norden. Zuerst sah er überhaupt nichts, denn nach dem hellen Sonnenschein draußen kam ihm der

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