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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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wird. Aber die Heveller werden sich nicht mit den Obodriten verbünden, so viel ist gewiss. Und die Redarier auch nicht. Tugomir hat seinen Onkel Slawomir zu ihnen geschickt, um ihnen auf den Zahn zu fühlen. Ein guter Mann, dieser Slawomir, obwohl er ein Götzenpriester und ein Trunkenbold ist. Tugomir besitzt ein Talent, den Richtigen für eine bestimmte Aufgabe auszuwählen. Slawomir erwies sich als geschickter Gesandter und brachte die Nachricht zurück, dass die Redarier sich mit Hermann Billung arrangiert haben und ihre Kriegslust lieber mit Überfällen auf ihre Nachbarn stillen, als gegen die Sachsen zu ziehen. Jedenfalls fürs Erste. Die kleineren Stämme werden dem Beispiel der Heveller und Redarier folgen. Somit stehen die Obodriten allein.«
    »Widukind, das ist großartig!« Ottos Erleichterung machte ihn für einen Moment fast schwindelig. Es bedeutete, dass er viel schneller als erhofft ins Elsass zurückkehren konnte. Er musste keine neuen Truppen ausheben, sondern nur die vorhandenen Aufgebote neu ordnen und in die Elbgaue senden, um Sachsen gegen neuerliche Obodriteneinfälle zu schützen. Es blieb ihm erspart, selbst ein Heer über die Elbe zu führen. »Ich kann nach Breisach zurückkehren und mit Gottes Hilfe meine Krone retten. Sagt Tugomir, das werde ich ihm nie vergessen.«
    Widukind nickte ernst. »Wenn Ihr ihm Euren Dank bekunden wollt, mein König, dann zweifelt nicht an ihm. Was Tugomir tut, geschieht zum Wohle der Heveller, nicht als Gefälligkeit an Sachsen oder an Euch. Aber er wird Frieden halten und bei seinen Nachbarn darum werben, wenn Ihr ihn lasst. Oder ich sollte wohl sagen, wenn Markgraf Gero ihn lässt. Er ist die größte Gefahr jenseits der Elbe, nicht die Obodriten. Und er ist besessen von seinem Groll gegen Tugomir.«
    Otto lauschte ihm mit Sorge.
    »Womöglich war die Ehe zwischen Tugomir und Geros Tochter doch keine so gute Idee«, murmelte Brun vor sich hin.
    »Es war Tugomirs Preis«, widersprach der König. »Und davon abgesehen ist es Zeitverschwendung, über verschüttete Milch zu weinen. Die Frage ist, was können wir tun, um Gero im Zaum zu halten?«
    »Tugomir hält Geros Vetter Asik als Geisel«, eröffnete Widukind ihnen. »Ich denke, das hilft.«
    »Asik ist noch am Leben?«, fragte Otto verblüfft.
    Der Bischof nickte und erzählte, wie der tot geglaubte Anführer der Merseburger und einstige Schultheiß von Magdeburg die verlorene Schlacht gegen Boleslaw von Böhmen überlebt hatte. »Er hat ein paar bittere Jahre als Sklave auf der Brandenburg hinter sich. Tugomir hat dem ein Ende gemacht und behandelt ihn so, wie es einer Geisel aus vornehmer Familie zukommt. Aber Gero fürchtet um seinen Vetter, das habe ich in seinem Gesicht gesehen.«
    »Gut!«, befand Brun. »Dann wird er sich zu benehmen wissen.«
    Der König nickte, aber ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, dass das Schicksal der Menschen östlich der Elbe ausgerechnet von Geros Selbstbeherrschung abhängen sollte.
    »Bist du sicher, dass du unter diesen Umständen ins Havelland gehen willst?«, fragte er seine Schwägerin. »Es wäre … ein ziemliches Abenteuer.«
    Egvinas Augen funkelten, wie er es seit vielen Monaten nicht gesehen hatte. »Ich bin sicher«, antwortete sie.

Mecklenburg, September 939
    »Jesus!« Semela zog scharf die Luft durch die Zähne. »Das fängt ja gut an …«
    Tugomir hielt sein Pferd an, und seine Eskorte folgte seinem Beispiel. Schon in Sichtweite der Wallanlage der Mecklenburg waren sie am Rand eines lichten Eichenwalds auf einen Tempel gestoßen, der vermutlich Radegost geweiht war, dem Stammesgott der Obodriten. Es war ein Bauwerk von beeindruckender Größe. Genau wie am Jarovit-Tempel auf der Brandenburg waren auch hier die Außenwände mit kunstfertig geschnitzten Götterbildnissen verziert, aber anders als dort war oberhalb und unterhalb dieser Bildnisse eine umlaufende Bordüre aus weißen Schädeln: Tugomir erkannte Pferde- und Hundeköpfe, Hirsche und andere Tiere des Waldes und jede Menge menschlicher Schädel in allen Größen.
    Der Tempelhain, der das Götterhaus umgab, war kreisrund und großzügig, sodass vor dem Portal ein grasbewachsener Platz freiblieb. Dort waren drei Pfähle aufgerichtet worden. An einem hing ein bewusstloser oder toter Mann mit bloßem Oberkörper, der so erbarmungslos gegeißelt worden war, dass das Fleisch auf seinem Rücken in Fetzen hing. Aber den Männern an den anderen beiden Pfählen war es noch schlimmer ergangen: Man

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