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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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böse.
    November hackte die Zwiebeln, wischte sich dabei die Tränen mit dem Handrücken aus den Augen, schniefte und tauchte in das verschwimmende Erinnerungsbild.
    Willkommen, Novemberbraut.
    Sie war an Adrians Seite eingetreten, aber nun stand sie ganz alleine in der düsteren Halle. Zwischen ihr und dem Dach hoch oben über ihrem Kopf war nur lastende Dunkelheit. Fern, an den Wänden, brannten Fackeln und warfen ihr unruhiges Licht über den Boden. Das Haus war keine Ruine, aber es schien nur aus den Außenwänden und dem Dach zu bestehen. Es gab keine Z immer, keine Etagen. Der Boden bestand aus glatten, schwarzen Steinen, von den Wänden sah sie nur das, was im Fackellicht zu sehen war – rauer Putz und Balken. So stellte sie sich eine Wikingerhalle vor. Es fehlte nur das riesige Kaminfeuer und eine lange Tafel, an der bärtige, bezopfte Krieger saßen und tranken, ihre Hunde zu ihren Füßen.
    November drehte sich zur Tür um. Es war ihr unheimlich, in dieser Halle zu stehen. Wo war Adrian?
    Wo war die Tür?
    Der Schreck fuhr ihr eiskalt in die Glieder und durchs Herz. Die Tür war verschwunden. Hinter ihr befand sich nur eine grobe Mauer, in deren Putz schmutziges Stroh klebte.
    November zwang sich, ruhig zu bleiben. Dies war ein Haus, also würde es auch irgendwo eine Tür geben, die ins Freie führte. Sie musste nur die Wände ablaufen, dann würde sie darauf stoßen. Sie ging los, durch die Pfützen aus Nacht und Flecken aus trübem Licht, das von den Fackeln an den Wänden stammte. Ruß schwärzte die Mauern, und unter den Fackeln schimmerten ölige Lachen auf dem Steinboden. Ihre Schritte hallten wie in einer Kirche.
    Sie lief eine endlos erscheinende Zeit durch die düstere Halle und glaubte, in jedem tieferen Schatten, jeder Fuge und Unebenheit in der Wand die ersehnte Tür zu erkennen. Irgendwann blieb sie stehen, erschöpft und entmutigt, und sah sich um. War sie hier an diesem seltsam geformten Fleck nicht schon einmal vorbeigekommen? Und dort, die tropfende Fackel, die ein wenig schief in ihrer Halterung klemmte – kannte sie die nicht auch?
    November sank in die Hocke und vergrub das Gesicht in den Händen. »Adrian«, flüsterte sie, »Adrian, hol mich hier raus!«
    » Nova, Liebes, brennt da etwas an?«
    Der Ruf ihrer Tante schreckte sie auf. Sie griff nach dem Holzlöffel und rührte hastig in der Pfanne. Einige der Kartoffelscheiben sahen inzwischen sehr knusprig aus und die Zwiebeln waren auch eher schwarz als goldbraun. Sie probierte die Kartoffeln und fand sie essbar.
    Während sie den Salat zupfte, schob sie mit Macht die Bilder beiseite, die sich ungebeten in ihren Kopf drängten. Sie griff nach dem Messer und begann, Tomaten in Stücke zu schneiden. Die Klinge blitzte im Licht, warf schimmernde Reflexe auf das dunkelrote Fleisch der reifen Früchte.
    > Novemberkind. Winterbraut.
    Ein Luftzug, der klingt wie ein tiefes Seufzen, antwortet auf ihr Flüstern. Sie hebt den Kopf und sieht sich hoffnungsvoll um. »Adrian?«
    Der Mann scheint geradewegs aus der Wand zu treten. Haar wie Rabengefieder, eine schlanke, hochgewachsene Gestalt von der Biegsamkeit einer Klinge. Das Weiß seiner Augen schimmert wie Mondlicht. Sie sieht sein Lächeln, das ihr Schauder über den Rücken jagt. »November«, sagt der Mann mit einer tiefen, klangvollen Stimme. »Meine Braut.« Er reicht ihr die Hand, hilft ihr auf.
    »Wer sind Sie?«, fragt November. Ihre Stimme klingt piepsig und dünn gegen seinen tiefen Glockenklang.
    Er hält ihre Hand, und sein Blick bohrt sich in ihr Inneres und spießt sie auf wie einen Schmetterling, der nur noch hilflos mit den Flügeln flattern, aber nicht mehr entkommen kann. Nicht m ehr entkommen will, denn in diesem Blick liegt Verheißung, die verlockende Süße einer verbotenen Frucht. November atmet schneller. Sie neigt sich ihm zu, lauscht dem Klang seiner Worte mehr als ihrem Sinn.
    »Ich bin dein Gatte. Lächle für mich, Novemberbraut. Dein Kleid, dein Kranz, dein Schleier liegen bereit. Der kostbare Brautschmuck wird deine Augen strahlen lassen. Die Rosen verströmen ihren Duft nur für dich. Folge mir, meine Braut.«
    Ihre Beine gehorchen seinem Befehl, ihre Lippen formen sich zu einem Lächeln. Er muss nicht befehlen, sie will ja mit ihm gehen. Ihr innigster Wunsch ist es, ihm zu gefallen und sich seinem Willen zu unterwerfen. Sie beherrscht nur der alles übertönende Wunsch, ihm zu dienen, ihm gefällig zu sein. Ihm – ihrem Bräutigam.
    Seine Hand lenkt sie sanft

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