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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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bisschen ... nun, das gehört sich doch eigentlich nicht. Aber ich fand es sehr schön. Mir hat alles gekribbelt.
    Ich hatte der Köchin ein paar der frisch eingeweckten Gläser mit Obst abgeschwatzt. Um der guten Nachbarschaft willen, habe ich gesagt, und sie hat mir einen kleinen Korb vollgepackt, mir den Kopf getätschelt und gelächelt. Sie ist schon so lange bei uns, wie ich denken kann, und manchmal glaube ich, dass sie mich besser kennt als meine eigene Mutter.
    Es hat niemand aufgemacht, und ich habe zuerst geglaubt, sie wären alle fort. Ich war so enttäuscht! Ich habe den Korb auf die Bank neben der Haustür gestellt und dann bin ich in den Garten gegangen. Keine Ahnung, warum ich das getan habe, es muss das Schicksal gewesen sein, das mir das ins Ohr geflüstert hat. Oder ein freundlicher Geist.
    Adrian war da! Im Garten! Er hat auf der Bank gesessen und war dabei, die große Magnolie zu zeichnen. Er ist ein Künstler, ein richtiger Maler, liebes Tagebuch.
    Ich bin ganz leise zu ihm hingegangen und habe ihm zugesehen, wie er gezeichnet hat. Er war so vertieft, dass er mich nicht bemerkt hat. Er war nicht zufrieden mit seiner Skizze, hat gemurmelt und den Kopf geschüttelt, dann hat er ein neues Blatt angefangen und darauf hat er dann ein Gesicht gezeichnet. Oh, mir ist das Herz s tehen geblieben. Es war MEIN Gesicht, genau so, wie ich es jeden Morgen im Spiegel sehe. Ich war so erstaunt, dass ich wohl ein Geräusch gemacht habe, denn er ist herumgefahren, hat alles fallen gelassen und dann hat er mich angestarrt wie ein Gespenst.
    Ich weiß nicht mehr, wie es dann gekommen ist, dass wir im Moos unter der Magnolie saßen wie unter einem Zelt. Wir haben uns an den Händen gehalten und dann hat er mich geküsst. Es war himmlisch. Und es war ein bisschen so, als wären wir schon seit ewigen Zeiten miteinander ... nun ja. Zusammen. Ein Paar.
    Ich werde rot, während ich das schreibe, ich fühle es. Mein Gesicht ist so heiß, als hätte ich Fieber.
    Adrian. Mein liebster, mein süßer Adrian. Vielleicht kann er mich ja retten. Er ist jung und stark und er liebt mich, ganz bestimmt tut er das.
    Man darf doch träumen.

16
    ADRIAN
    Ich saß auf meinem Bett und hatte den Inhalt meines Rucksacks um mich herum ausgebreitet. Das Papier roch modrig und nach Schimmel. Ich hatte die älteren Schriftstücke gesondert von den anderen auf das Kopfkissen gebettet und überflog erst einmal die Ausschnitte und Notizen, die jüngeren Datums waren. Vieles davon schien in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem Haus oder den Vorgängen rund um die von Skegg erwähnten verschwundenen Kinder und die in großen Abständen auftretenden Todesfälle zu stehen. Da waren Berichte von mehreren Verkehrsunfällen, ein Pub war abgebrannt, aber niemand war dabei zu Schaden gekommen, die örtliche Grundschule hatte schließen müssen und ein Bus fuhr nun die Kinder in die Nachbargemeinde ... Ich schob all diese Zeitungsmeldungen in einen großen Briefumschlag, den ich wieder in meinem Rucksack verstaute. Wahrscheinlich hatte Milton Skegg ein bisschen den Überblick verloren. Er wirkte ohnehin wie jemand, der morgens seinen weißen Mäusen und rosa Elefanten einen vergnüglichen Tag wünschte.
    A uf meinem Kopfkissen lagen die interessanten Dokumente. Ich griff nach einem der zerfledderten schwarzen Notizbücher und schlug es auf. Es stand kein Name darin, aber ich wollte nicht mehr Adrian heißen, wenn diese Aufzeichnungen nicht von unserem Starreporter persönlich stammten. Ich schob mir die Bettdecke in den Rücken, lehnte mich gegen die Wand und streckte die Beine aus. Mal sehen, was Milton Skegg so alles herausgefunden hatte.
    Ich blätterte das Notizbuch flüchtig durch und untersuchte die Falttasche. Ein Zeitungsausschnitt war darin verwahrt, klein geknifft und vergilbt. Als ich ihn auseinanderfaltete, brach er an den Falzen. Ich legte ihn vorsichtig auf mein Kissen. Das Datum lag vierzig Jahre in der Vergangenheit.
    »Grauenhafter Fund im Kutscherhaus«, sagte die Schlagzeile. Darunter ein Foto, auf dem man nichts erkennen konnte. Ich hielt das zerfallende Zeitungspapier vorsichtig fest und las die Meldung, die kurz und trotzdem erschreckend war. Das war eine der Geschichten, von denen Skegg erzählt hatte. Eine sinnlose, grauenhafte Metzelei – genau zu dem Zeitpunkt, als die alte Frau Vandenbourgh mit ihrer Familie das Land verließ. Ein Paketbote hatte hier im Kutscherhaus die Leichen von vier Personen gefunden – Mitglieder einer

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