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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Hand, um seine Wange zu berühren. »Dich.«
    Er senkte den Kopf. »Du hast ihn gesehen. Meine Nemesis.«
    Sie wusste nicht, was das war, aber sein Tonfall verriet ihr, dass es nichts Gutes sein konnte. »Den ... Joker?«
    Er knurrte wütend. »Roshi, ich brauche dich. Jetzt und hier!« Er schien zu lauschen, auf etwas zu warten.
    November verschränkte die Arme vor der Brust. » Adrian, du jagst mir Angst ein.« Sie sah nach rechts und links, wandte den Kopf nach hinten. Niemand, der aussah wie ein Roshi. »Das ist doch so was wie ein Guru, oder?«
    Adrian fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht und in die Haare. »Ja«, sagte er erschöpft. »Ein Lehrer. Ein weiser Freund mit kryptischen Sprüchen. Yoda, nur auf Japanisch.« Er grinste sie an, aber es war kein Lachen in der Grimasse, nur Verzweiflung. »Ich bringe dich nach Hause, okay? Und kein Wort mehr über irgendwelche Lemuren.«
    Sie gingen stumm nebeneinander her. Gemeinsam, aber wie durch eine dicke Glasscheibe getrennt. November warf Adrian hin und wieder einen verstohlenen Blick zu. Er starrte finster auf d en Weg, war offensichtlich so in Gedanken versunken, dass er kaum wahrnahm, wohin er seine Füße setzte. Warum hatte es ihn so aufgebracht, dass sie den Joker erwähnt hatte? Das war doch nur eine optische Täuschung gewesen, durch die Leuchtreklame des Pubs hervorgerufen. Zumindest wollte sie das glauben.
    »Ary?«, sagte sie nach einer Weile und blieb stehen. »Lass uns zum Haus gehen.«
    Er sah sie an, und sie konnte erkennen, dass ihre Worte sich nur langsam den Weg in sein Bewusstsein bahnten. »Was?«, sagte er nach einer Weile. »Jetzt? Du willst mit mir jetzt dorthin?«
    Sie nickte mit zusammengepressten Lippen. Der Gedanke, in der Abenddämmerung das Haus zu betreten, jagte ihr kalte Angstschauer über den Rücken.
    Er schüttelte den Kopf. »Warum?«
    »Ich muss wissen, ob ich verrückt bin. Ich muss wissen, was mit mir passiert, wenn ich dort bin. Was mit uns passiert. Ob die alten Geschichten stimmen und ich tatsächlich in Gefahr bin. Alles hängt mit allem zusammen. Meine Großmutter, ich, der Unfall, du, der Mann im Pilchards’ Bay ...«
    »Milton Skegg.« Er runzelte die Stirn, nickte geistesabwesend. »Der Joker«, sagte er leise. »Erzähl mir, was du gesehen hast, bitte.«
    Sie berichtete zögernd, wie das grüne Licht der Neonreklame ihm für einen Moment das Aussehen einer Comicfigur verliehen hatte. Und dass sie Angst bekommen hatte, weil er so kalt und zornig zugleich auf Gribben losgegangen war. Als wäre er nicht er selbst, sondern ...
    Der Joker.
    Adrian schien ihr zu glauben, dass sie wirklich etwas gesehen h atte. Sie fröstelte. »Was geschieht mit uns?«, sagte sie leise zu sich selbst. »Ary, was hat das alles nur zu bedeuten?«
    Er zögerte, dann legte er seinen Arm um ihre Schultern. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Für mich ist die Wirklichkeit schon lange nicht mehr das Gleiche wie für andere Leute.« Er grinste ein bisschen schief, aber dieses Mal sah das Lachen wieder echt aus. »Wenn du also jemanden brauchst, der dir hilft, mit deinen Füßen auf dem Boden zu bleiben, dann hältst du dich besser an deine Tante.«
    November lachte. »Ja, Eliette steht sehr fest auf dem Boden. Das hat mir geholfen, als ich aus der Klinik kam.« Sie lehnte sich an ihn, freute sich daran, dass er wieder der alte Adrian zu sein schien. »Gehen wir zum Haus?« Er antwortete nicht sofort. Sie konnte die Spannung in seinem Arm spüren. Dann nickte er. »Gut.« Er warf ihr einen schnellen Seitenblick zu. »Und diesmal versuchen wir, nicht zu vergessen. Diesmal suchen wir nach Antworten.«
    Sie nickte.
    »Aber gehen wir zuerst im Kutscherhaus vorbei. Ich sage Jonathan Bescheid, sonst macht er sich Sorgen. Und wir nehmen eine Taschenlampe mit.«
    Sie atmete auf, als hätte sich ein Gewicht von ihrer Brust gehoben. Der Gedanke an eine Lampe, die die Dunkelheit bannen würde, machte ihr Mut. Und sie würde Jonathan Magnusson wiedersehen.
    November lächelte unwillkürlich, während sie ihre Schritte denen Adrians anpasste.

29
    »Jonty! Wir sind es«, rief Adrian, als er die Tür zum Cottage öffnete. November trat hinter ihm ein und blieb in der Diele stehen, während Adrian seinen Rucksack an die Garderobe hängte. »Jonty?«, rief er.
    »Mr Magnusson ist in seinem Arbeitszimmer«, rief eine Frauenstimme aus der Küche.
    »Danke Ms Dickins.« Adrian blinzelte November zu. »Das passt perfekt. Ich frage sie, ob sie uns ein paar

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