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Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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Gedanke setzte sich fest. Ich hatte Jess in den vergangenen zwanzig Monaten nur Schlechtes gewünscht, und nun war es eingetreten.
    »Dafür bist du nicht verantwortlich, Ella.«
    Ich drehte mich zur Seite. »Kannst du neuerdings Gedanken lesen?«
    »Das muss ich gar nicht. Ella, sie ist fast zweiundzwanzig. London ist das große Abenteuer. Dad und Meredith haben überreagiert. Wahrscheinlich hat sie ihr Handy verloren. Und die Kreditkarte. Du weißt doch, wie nachlässig sie ist.«
    Jess war nicht nachlässig. Das war sie nie gewesen. Ich ließ ihm die Lüge durchgehen. Sie tröstete mich.
    »Davon abgesehen«, ergänzte Charlie, »habe ich auf einen Vorwand gewartet, um zu dir zu kommen. Ich bin sehr froh, dass Jess vermisst wird. Sonst hätte Walter mir das Ticket nicht bezahlt.«
    »Charlie!«
    »Das war doch bloß ein Scherz. Natürlich habe ich das Ticket selbst bezahlt. Mir gefällt übrigens deine neue Frisur. Ich habe dich noch nie mit kurzem Haar gesehen. Es steht dir.«
    Ich zupfte an den kurzen Strähnen herum. »Es ist viel pflegeleichter.«
    »Sehr angesagt. Très joli .« Er übertrieb den französischen Akzent. »Merci« , erwiderte ich.
    »Was ist mit mir? Komme ich dir dünner vor?«, fragte er.
    »Nein.«
    »Gut. Bin ich auch nicht. Will ich auch nicht. Wie sage ich zu meinem Arzt? Je dicker ich bin, umso mehr gibt es an mir zu lieben.«
    Ich lächelte. Ich hätte ihm am liebsten noch einmal gesagt, dass ich ihn liebte. Doch das war nicht nötig. Er wusste es auch so.
    Wir verfielen in Schweigen und sahen uns auf dem kleinen Monitor den Wetterbericht an. Es sollte kalt bleiben, sogar Graupelschauer geben, bei vier Grad plus.
    Charlie durchbrach die Stille. »Weißt du noch, wie du mich und Dad damals am Flughafen abgeholt hast, Ella? Als wir aus Deutschland gekommen sind?«
    Ich nickte. Natürlich erinnerte ich mich. Charlie und Walter waren zur Beerdigung von Charlies Mutter nach Deutschland geflogen.
    »Das war wirklich lieb von dir. Was du da getan hast. Ich weiß gar nicht, ob ich dir je dafür gedankt habe.«
    »Hast du.«
    »Dann nochmals danke.«
    »Sehr gern.«
    Ich hatte ein Banner gemalt. Ich wollte unbedingt etwas tun, um Charlies Heimkehr zu feiern. Sie waren vierzehn Tage fort gewesen. Charlies erste Reise nach Deutschland, ausgerechnet zur Beerdigung seiner Mutter, die er seit mehr als zehn Jahren nicht gesehen hatte. Wir hatten selten über sie gesprochen. Auf meine Fragen hin hatte Charlie immer nur mit den Schultern gezuckt und gemeint, dass er sich kaum an sie erinnerte. Ich hatte nie gewagt, Walter zu befragen. Erst auf dem Rückweg vom Flughafen, nachdem wir Walter und Charlie verabschiedet hatten, erfuhr ich von Mum, was sich zugetragen hatte. Ich war gerade alt genug, um alles zu begreifen. Und alt genug, um Mitgefühl zu empfinden, nicht nur für Walter und Charlie, sondern auch für Brigitte, Charlies Mutter. Sie hatte ein Suchtproblem gehabt, so Mum. Nicht mit Alkohol oder harten Drogen, sondern mit Medikamenten – Valium und Schmerzmittel. Sie hatte schon Probleme gehabt, bevor sie Deutschland gemeinsam mit Walter verlassen hatte. In Australien aber hatte sich ihr Zustand noch verschlimmert. Als sie mit Charlie schwanger war und während seines ersten Lebensjahrs, war es ihr gut gegangen. Dann hatte sie wieder Tabletten genommen. Zunächst heimlich. Irgendwann aber ließ es sich nicht mehr verheimlichen. Walter hatte das Menschenmögliche getan. Er war bei seiner Frau geblieben, bis Charlie in die Schule kam, doch da waren ihre Probleme kaum noch zu bewältigen. Sie musste immer wieder stationär behandelt werden. Sie hatte Walter immer wieder gesagt, dass sie ihn hasste. Sie hatte keine Beziehung zu Charlie aufgebaut. Schließlich hatte ihre ältere Schwester sie zurück nach München geholt. Walter hatte die Scheidung beantragt und das Sorgerecht für Charlie erhalten.
    Während Walter und Charlie in Deutschland waren, hatte Walter jeden Tag, wenn auch nur kurz, angerufen. Charlie hatte ich seit vierzehn Tagen nicht gesprochen. Er fehlte mir sehr. Auch seinen Freunden in der Schule fehlte er. Ich wurde mindestens einmal täglich angesprochen. Hatte ich etwas von Charlie gehört? Wie ging es ihm?
    »Gut«, sagte ich dann immer. »Gut. Aber er ist natürlich sehr traurig.«
    Das war gelogen. Ich hatte mit ihm gesprochen, als seine Tante angerufen und uns mitgeteilt hatte, dass Charlies Mutter gestorben war und sie mit der Beerdigung auf Charlie und Walter warten würden,

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