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Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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gedankt. Für viel mehr, als er ahnen kann.
    Er hat mich einfach ein zweites Mal umarmt und mir eine gute Reise gewünscht.
    Eine Stunde später, in der Abflughalle, als ich gerade an Bord gehen wollte, war mir etwas eingefallen. Etwas, was ich in Aidans Manuskript gelesen hatte. Etwas, wovon ich nichts gewusst hatte. Jess’ Tattoo.
    Plötzlich musste ich es wissen. Ich habe die Nummer ihres Hotels herausgesucht und angerufen. Mein Flug war schon zum Einsteigen bereit. Ich wurde gleich zu ihrem Zimmer durchgestellt.
    »Jessica Baum.«
    »Jess, hier ist Ella.«
    »Ella! Alles in Ordnung? Hast du deinen Flug verpasst?«
    »Ich gehe gleich an Bord. Jess, dein Tattoo …«
    »Hat Mum dir das erzählt? Ella, es tut mir leid, wenn du deshalb wütend bist. Ich wollte nur …«
    »Ich bin nicht wütend.« Das war ich nicht. Vielleicht würde ich sie eines Tages sogar bitten, es mir zu zeigen. »Was steht da, Jess?«
    »Sein Name. Nur sein Name. Da, wo ich ihn immer gemessen habe, wenn ich ihn neben mich gestellt und geprüft habe, wie groß er geworden ist. Weißt du noch?«
    Natürlich wusste ich das noch. »Jess, welcher Name? Dein Name oder unser Name?«
    »Euer Name. Felix. Da steht Felix. Ich fand, es musste sein richtiger Name sein. War das okay, Ella? Es macht dir nichts aus? Wäre es dir lieber, ich würde es in Elix ändern? Das mache ich natürlich, wenn du willst. Es ist nur, außer mir hat ihn niemand Elix genannt, und darum fand ich es falsch …«
    »Du musst es nicht ändern, Jess.«
    Hinter mir erklang der letzte Aufruf. Jess wünschte mir eine gute Reise und sagte, ich solle auf mich aufpassen. Ich erwiderte, sie solle auch auf sich aufpassen.
    Der Flug dauerte sieben Stunden. Ich las nicht, ich sah mir keinen Film an, ich aß nichts, ich trank nichts. Mir genügten meine Gedanken. Ich landete um zehn Uhr abends und ging gleich in das Hotel. Ich schlief gegen Mitternacht ein, wurde um sechs Uhr wach, nahm den Shuttle-Bus nach Manhattan und war eine halbe Stunde vor Abfahrt des Zugs an der Penn Station.
    Ich war erst ein Mal in New York gewesen, auf einem Wochenendtrip, während meines ersten Londonaufenthalts. Ich hatte die Stadt geliebt. Nun hatte ich es eilig fortzukommen. Ich musste mich regelrecht zwingen, die Umgebung wahrzunehmen: die gelben Taxis und Wagen der NYPD, die Zeitungsstände mit der New York Times und USA Today . Die Wolkenkratzer. Die vielen Menschen. Hupen, Sirenen. In der Penn Station drängten sich Pendler, Obdachlose; alle Akzente und Sprachen klangen durcheinander. Ich war in New York, doch in Gedanken längst in Washington.
    In Gedanken längst bei Aidan.
    Ich war noch nie in Washington gewesen. Ich konnte mir Aidan dort nicht vorstellen. Ich konnte mir nicht vorstellen, mich mit ihm in der Stadt zu treffen und in eine Bar oder ein Restaurant zu gehen. Wo aber sollten wir uns treffen? In meinem Hotel? Seinem Apartment? Auf neutralem Boden? Ich kannte Washington aus Filmen und Fernsehserien, aus Zeitungen und Magazinen, aus den Nachrichten. Ich kannte die Wahrzeichen, das Weiße Haus, das Kapitol, den Arlington Cemetery. Ich wusste, dass die Stadt mit ihren langen Boulevards und majestätischen Gebäuden als die europäischste aller amerikanischen Städte galt. Als das Paris von Amerika. Und dennoch konnte ich mir nicht vorstellen, dort zu sein.
    Während des Flugs hatte ich eine Entscheidung getroffen. Ich wollte Aidan anrufen, bevor ich in den Zug stieg. Ich hatte mir gewünscht, unser erstes Gespräch würde von Angesicht zu Angesicht stattfinden, nicht am Telefon, doch die Gelegenheit dazu hatte ich in London versäumt. Ich hatte seine Reise in Gedanken nachvollzogen. Er musste am Vortag, am Nachmittag Washingtoner Zeit, zu Hause angekommen sein. Wahrscheinlich fing seine Konferenz um neun oder zehn Uhr morgens an. Selbst wenn er sich nach dem Flug ausgeschlafen hatte, müsste er nun wach sein.
    Ich stand auf dem Bahnsteig neben meinem Gepäck. Ich wählte seine Nummer. Mit zitternden Händen.
    Beim dritten Läuten nahm er ab.
    »Aidan O’Hanlon.«
    »Aidan, hier ist Ella.«
    Eine lange Pause. »Wo bist du?«
    »In New York. Ich steige gleich in den Zug nach Washington.«
    Er sagte nichts. Ich glaubte schon, die Verbindung wäre zusammengebrochen.
    »Aidan?«
    »Ich bin noch da, Ella.«
    Ich wollte ihm so gern sagen, dass ich sein Manuskript erhalten hatte. Dass ich jedes einzelne Wort gelesen hatte. Dass ich zum Hotel zurückgegangen, doch zu spät gewesen war und ihn

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