Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)
wieder in ihrem sehr schicken Hotel in Covent Garden.«
Mein Flug ging in drei Stunden. Mir blieb genügend Zeit. Ich sagte, was ich vorhatte.
Lucas war besorgt. »Ella, bist du sicher? Ausgerechnet heute?«
»Warum wartest du nicht, bis du wieder hier bist?«, fragte Charlie.
Es war mir wichtig, sie zu sehen. Noch vor meinem Abflug. Noch bevor ich Aidan sah.
Die Fahrt nach Covent Garden dauerte zwanzig Minuten. Der Taxifahrer parkte in zweiter Reihe. Ich stieg aus, allein. Charlie hatte mir ihre Zimmernummer genannt. Ich ging ins Hotel, vorbei an der Rezeption, als wäre ich ein Gast. Ich nahm die Treppe hinauf in den vierten Stock. Das Hotel war recht luxuriös, an den Wänden Originalgemälde, auf dem Boden üppige Teppiche. Ich kam durch einen langen Korridor, zählte die Nummern ab, und dann war ich da, vor ihrer Tür.
Ich klopfte.
Ich hörte ihre Stimme. »Wer ist da?«
»Ella.«
Kapitel 47
Liebes Tagebuch,
Ich bin’s, Jess!
Etwas Wunderbares ist passiert. Ella war bei mir.
Ich hatte auf dem Bett gelegen und, das ist jetzt nicht erfunden, an Felix gedacht. Ich war wieder so traurig geworden, wie immer, wenn ich an ihn denke, aber dann hatte ich auch an den Morgen gedacht, als ich mit Charlie und Lucas vor den Fotos gestanden und über Felix gesprochen hatte und wir uns gemeinsam an ihn erinnert hatten. Und ich hatte mich auch wieder an das Gefühl erinnert, an diese schöne Wärme; und obwohl unser Felix nicht mehr bei uns ist, können wir trotzdem an ihn denken und uns daran erinnern, wie sehr wir ihn geliebt haben.
Dann bin ich aufgestanden und ins Badezimmer gegangen. Ich hatte den Bademantel aus dem Hotel an und habe mich vor den Spiegel gestellt und den Bademantel weggeschoben, um mir das Tattoo anzusehen, und dann habe ich meine Hand daneben gehalten und mich daran erinnert, wie groß er war. Und da bin ich wieder so traurig geworden, weil ich mich gefragt habe, wie groß Felix jetzt wohl wäre. Wir hatten alle auf seinen zweiten Geburtstag gewartet, weil ich ihn dann wieder messen wollte. Mum hatte irgendwann behauptet, dass ein Kind mit zwei Jahren die halbe Größe hat, die es als Erwachsener haben wird. Anscheinend ist das tausendfach bewiesen. Behauptet jedenfalls Dr. Rob. Aber wir werden es nie herausfinden.
Dann habe ich mich wieder auf das Bett gesetzt und weder gelesen noch ferngesehen noch sonst was, ich habe einfach dagesessen und an Felix gedacht, und da klopft es an die Tür. Ich hatte nichts bestellt und deshalb gefragt: »Wer ist da?« Und dann kam eine Stimme: »Ella«. Ich bin echt in Panik geraten. Mein Herz hat wie wild gerast, und ich bin zur Tür gelaufen und habe durch das Türloch gespäht, und es war tatsächlich Ella. Ella mit kurzem Haar. Ich hatte sie noch nie mit kurzem Haar gesehen. Das steht ihr wirklich gut. Ich hatte Angst, dass sie mich anschreien würde, und das hätte ich nicht ertragen, aber dann habe ich noch einmal hingesehen, nur einen Augenblick lang, und sie hat gar nicht wütend gewirkt, nur wahnsinnig traurig. So als ob sie geweint hätte, als ob sie unglaublich erschöpft wäre.
Also habe ich die Tür aufgemacht, und eine Weile haben wir nur dagestanden und uns angesehen. Wir hatten uns so lange nicht gesehen. Felix’ Beerdigung zählt nicht. Ich habe einen Schritt nach hinten gemacht, sie hatte noch immer nichts gesagt und mich nur angesehen, und dann ist sie reingekommen und hat die Tür geschlossen und noch immer nichts gesagt.
Und dann habe ich geredet. Ich habe alles gesagt, was ich ihr seit damals sagen wollte. Ich habe nicht geweint. Ich hätte gern, habe es aber nicht. Ich habe ihr noch einmal gesagt, wie leid es mir tut, wie sehr ich Felix geliebt habe und dass ich alles tun würde, wenn ich verhindern könnte, was an jenem Tag geschehen ist. Dann, endlich, hat sie etwas gesagt. »Ich weiß, Jess. Das würden wir alle.«
Und dann ist sie auf mich zugekommen und hat mich umarmt. Sie hat mich ganz eng an sich gezogen. Sie ist viel größer als ich, sie hat die Arme um mich gelegt und mich festgehalten. Ich weiß gar nicht, ob sie mich irgendwann schon mal umarmt hat, ich kann mich nicht erinnern, aber in dem Moment hat sie mich umarmt, und das war so schön, dass ich endlich weinen konnte. Sie auch. Wir haben beide geweint. Ich habe immer wieder gesagt: »Es tut mir so leid« Und sie hat immer wieder gesagt: »Ich weiß.«
Das ist alles. Dann ist sie gegangen. Sie müsse los, hat sie gesagt, weil Charlie und Lucas unten im Taxi auf
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