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Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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wiedergeben, denn ich sehe nur Fremde, unzählige Fremde, die sich über meinen Sohn beugen, doch es ist zu spät, sie sind zu spät, und ich, ich bin nicht da.
    Ich war nicht da, als Jess mich angerufen hat, drei Mal, völlig außer sich.
    Ich war nicht da, als sie Aidans Handy angerufen hat, mitten in den Verhandlungen, und ihm sagen musste, was passiert war.
    Ich war nicht da, als Aidan zum Spielplatz gekommen ist, zeitgleich mit dem Krankenwagen.
    Ich war nicht im Krankenwagen, als die Sanitäter mit Blaulicht durch die Straßen geheult sind und noch um das Leben meines Sohns gekämpft haben.
    Als ich endlich da war, war mein Sohn fast eine Stunde tot.
    Ich kann nicht sagen, wie Felix ausgesehen hat, als ich endlich bei ihm war. Ich habe keine Erinnerung. Ich erinnere mich nur, dass ich ihn in den Arm genommen habe. Ihn festgehalten habe, ganz, ganz fest. Aidan hat mich im Arm gehalten, ich Felix. Wir drei. Doch da waren wir nur noch zwei.
    Ich bin nicht zu Jess gegangen. Sie war im Krankenhaus mit Mum und Walter, aber ich bin nicht zu ihr gegangen und habe nicht mit ihr gesprochen. Ich gab ihr keine Schuld. Da noch nicht. Da kannte ich die Einzelheiten auch noch nicht.
    Ich erfuhr sie erst am nächsten Tag.
    Da gab ich ihr die Schuld.
    Das tue ich bis heute.

Kapitel 7
    Plötzlich war es viel zu still im Haus.
    Beschäftige dich.
    Die Küche war geputzt. Lucas’ Gegensalon, das hatte ich lernen müssen, putzte man besser nicht zu gründlich, und die Zimmer der Studenten waren sowieso tabu. Ich hatte ausgepackt. Und mein Zimmer hatte ich längst gereinigt.
    Denk an etwas anderes. Beobachten. Ablenken.
    Ich war in London. Ich war bei Lucas. Er hatte mir einen Job angeboten.
    Denk darüber nach.
    Als Lucas gesagt hatte, er habe meine Hilfe nötig, hatte ich gedacht, er wolle mich wieder im Haushalt beschäftigen. Er wusste, das hatte ich immer gern für ihn getan. Und er wusste auch, dass ich körperlich arbeiten wollte. Dass ich möglichst viel arbeiten wollte.
    »Ich will dir zunächst die Hintergründe erläutern, Ella«, hatte er am Vorabend gesagt. Momentan, so Lucas, wohnten vier Studenten im Haus, eine Frau, drei Männer.
    »Und da liegt das Problem«, hatte er gesagt. »Ich weiß nicht, wer es ist.«
    Ich hatte verwirrt entgegnet: »Wer was ist?«
    Er hatte sich umgedreht und vergewissert, dass die Tür geschlossen war. »Du weißt, Ella, dass sich meine Klientel gewandelt hat? Einen Sprung nach oben gemacht hat, um es im Wirtschaftsslang zu formulieren?«
    Ich nickte. Der Wandel, auf den Lucas anspielte, hatte vor drei Jahren eingesetzt. Ich war damals ebenfalls im Haus gewesen. Ursprünglich hatten sich seine Studenten zu neunzig Prozent um »normale« Kinder gekümmert: von beflissenen Eltern aus der Mittelschicht, deren Nachwuchs zusätzlich zu einem recht guten Schulunterricht Nachhilfe benötigte. Die restlichen zehn Prozent waren alles andere als normal: die Kinder der Superreichen – von Managern mit siebenstelligen Gehältern, Rockstars, Schauspielern, russischen Oligarchen … Lucas hatte sein Angebot nie annonciert, er hatte sich immer auf Empfehlungen verlassen. Im letzten Jahr aber, erklärte er, hatte die Mundpropaganda ungeahnte Ausmaße erreicht, auch weil drei der Schüler bei den Prüfungen landesweit zu den Besten gehört hatten. Eine Schülerin hatte es sogar auf die Titelseite der Times geschafft, weil sie in sechs Fächern Bestnoten erzielt hatte. Seither hatte das Telefon nicht stillgestanden. Nun riefen nicht mehr die normalen Eltern an, sondern die aus der »anderen« Gruppe. Lucas’ Klientel bestand fast nur noch aus den Superreichen.
    »So funktioniert das auf diesem sozialen Level«, sagte Lucas. »Jeder will, was der andere hat, sei es ein neues Auto, eine Villa in der Toskana oder ein kluges Kind.«
    Die Nachfrage war so groß, berichtete Lucas, er hätte problemlos fünfzig Studenten beschäftigen können, ihm aber reichten die Menge der Arbeit wie auch die Anzahl der Studenten. Doch je öfter er Nein sagte, umso höher stieg das gebotene Honorar. Und je öfter er sich in seinem Haus umsah, umso deutlicher wurde ihm, wofür er das Geld gebrauchen könnte.
    »Ich habe nachgerechnet, Ella. Dieses Haus muss dringend renoviert werden. Mit den Honoraren, die ich jetzt verlangen kann, könnte ich das Haus vollkommen neu ausstatten. Ich könnte anbauen, weitere Zimmer, mehr Raum zum Lernen. Zwei Jahre mit dieser Klientel, so schwierig und fordernd sie auch sein mag, würden mir

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