Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)
befragt, auch meine Studenten. Alles ohne Ergebnis.«
»Und die beiden anderen Klienten?«
Lucas zögerte. »Ich habe es so verstanden, dass sie die Polizei nicht involvieren wollten.«
»Die Objekte waren ihrerseits gestohlen?«
»Wohl eher auf dem Schwarzmarkt erworben oder steuerlich nicht deklariert. Ich habe nicht weiter nachgefragt. Aber ganz gleich, woher die Gegenstände stammen, das ändert nichts an der Tatsache, dass sie verschwunden sind.«
»Und du glaubst allen Ernstes, es ist einer von deinen Studenten?«
»Ich würde es lieber nicht glauben. Ich schicke meine Studenten seit mehr als zwanzig Jahren in die Häuser Londons. Und von ein oder zwei unpassenden Liebesbeziehungen abgesehen, hat es niemals ein Problem gegeben. Doch je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr gelange ich zu der Überzeugung, dass es einer von ihnen sein muss. Und du sollst mir Gewissheit verschaffen. Das ist der Job, von dem wir reden.«
Ich hatte an dem Punkt noch immer gedacht, er würde scherzen. »Kein Problem, Lucas. Ich fange am besten sofort an, oder? Und durchsuche die Zimmer.«
»Das habe ich bereits getan. Aber nichts gefunden.«
»Du hast die Zimmer durchsucht? Ernsthaft? Lucas!«
»Nicht besonders ernsthaft, nein.« Eine Pause. »Ich habe bloß die Tür geöffnet und ins Innere gespäht. Aber du siehst mein Dilemma, Ella? Ich kann mich nicht plötzlich in einen Privatdetektiv verwandeln, hintergründige Fragen stellen, mich erkundigen, was sie in ihrer Freizeit tun oder ob sie Kontakte zu Hehlern haben. Ich habe meine Studenten immer in Ruhe gelassen und sie mich auch. Darum läuft das hier so gut. Ich selbst kann die Polizei ebenso wenig um Hilfe bitten. Wenn sich herumspricht, dass meine Studenten unzuverlässig oder schlimmer noch, Langfinger sind, ist es mit der Klientel vorbei. Dann sind die Umbauten beendet, ehe sie begonnen haben, meine Forschung kommt zum Erliegen, die Arbeit der Studenten …«
»Wenn du dir so sicher bist, dass es einer deiner Studenten ist – warum kündigst du ihnen nicht? Und heuerst eine neue Truppe an?«
Er schüttelte den Kopf. »Bald sind Prüfungen. Das ist eine recht sensible Zeit. Und ich möchte ihnen auch nicht kündigen. Diese vier sind wirklich brillant – brillante Denker und brillante Lehrer. Bevor es zu dieser unerfreulichen Angelegenheit gekommen ist, hatte ich ausschließlich positives Feedback von meinen Klienten.«
»Aber falls es einer von ihnen ist, solltest du das wissen.«
»Selbstverständlich. Doch ich kann das Problem nicht lösen. Im Ernst, Ella, ich bin mit meiner eigenen Arbeit mehr als ausgelastet. Ich habe Henrietta gefragt, ob sie mir helfen könnte, doch sie hat abgewunken. Auch sie hat schon zu viel zu tun, mit ihren Vorlesungen, ihrem Alltag …«
Ihrem Ehemann, dachte ich bei mir.
»Aber du, Ella …«
Wir wussten beide, was er sagen wollte. Ich hatte alle Zeit der Welt.
Lucas legte die Hände auf den Tisch. Nun wurde er geschäftlich. »Nach außen hin heuere ich dich wieder als Köchin und Haushälterin an. Aber eigentlich möchte ich, dass du mit den Studenten redest, sie kennenlernst und ausfragst. Wer hat finanzielle Probleme? Oder plötzlich Geld? Finde so viel wie möglich heraus.«
»Aber wie soll ich anfangen? Beim Frühstück eine beiläufige Frage fallen lassen? ›Guten Morgen. Weiß zufällig einer von euch, wie ich günstig an ein Diamantkollier komme?‹«
Lucas lächelte nicht einmal. »Bitte, Ella. Du weißt, wie viel mir dieses Haus bedeutet.«
Das wusste ich. Genauer gesagt, wusste ich, wie viel ihm seine Forschung und die Studenten bedeuteten. Ich hatte ihm versprochen, darüber zu schlafen. Lucas wollte mir Informationen zu den Studenten in der Dachstube hinterlegen. Sie diente ihm dieser Tage als Archiv. Ich könne für den Anfang »ihre Akten konsultieren«, hatte er gemeint.
Und genau das würde ich nun tun. Ich musste irgendetwas tun. Es hatte angefangen zu regnen. Ich stieg die fünf Treppenabsätze nach oben. Die letzten Stufen waren so steil, dass ich mich am Geländer festhalten musste. Ob der Umbau auch den Bereich unter dem Dach betraf? Hoffentlich nicht. Für mich war das von allen wundersamen Teilen des Hauses immer der wundersamste gewesen.
Natürlich herrschte das übliche sagenhafte Durcheinander. Wie üblich stand alles voller Füchse, Bücher und Papiere. Nur das Bett fehlte, Lucas schlief nun in einem Zimmer auf der unteren Etage. Weil Henrietta darauf bestanden hatte?
Die Akten der
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