Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)
London? Sie ist in London?«
»Seit drei Tagen. Ich habe ihr einen Job angeboten, und sie hat akzeptiert.«
»Hilft sie dir bei der Recherche? Im Haushalt?«
»Ein wenig von beidem.«
Sein Herzschlag beruhigte sich langsam. »Und wie …« Er versuchte es noch einmal. »Wie geht es ihr?«
»Bestens.« Pause. »Nein, das stimmt nicht. Es geht ihr so wie dir.«
Aidan gab keine Antwort. Er hatte so viele Fragen. Und er brachte keine einzige über die Lippen.
Lucas senkte die Stimme. »Aidan, ich weiß, dass sich Charlie bei dir gemeldet hat. Dass ihr euch treffen werdet. Er will dir etwas vorschlagen, und ich wollte dir die Gelegenheit geben, schon im Vorfeld darüber nachzudenken. Wir sind beide der Meinung, dass du so schnell wie möglich nach London kommen solltest. Solange Ella hier ist.«
»Lucas, ich weiß eure guten Absichten zu schätzen, aber …«
»Denk darüber nach. Bitte. Vielleicht ist es anders, wenn ihr beide Abstand …«
Im Hintergrund war jemand zu hören. Eine Frau. Ella. Ella war ins Zimmer gekommen. Sie war nur eine Telefonverbindung entfernt. Er hätte Lucas bitten können, das Telefon weiterzureichen. Er hätte mit ihr sprechen können, mit der wahren Ella, und nicht mit der Ella, die jeden Tag in seinen Gedanken war …
Da ergriff Lucas erneut das Wort. »Danke für Ihren Anruf, aber ich habe kein Interesse.« Er klang förmlich, geschäftsmäßig. Dann wurde das Gespräch beendet.
Nach einer Minute legte Aidan das Telefon wieder auf seine Station. Er würde sich doch kein Essen bestellen. Er hatte keinen Appetit mehr. Er blieb eine Weile stehen und schaute aus dem Fenster. Dann setzte er sich an den Schreibtisch, klappte seinen Laptop auf und begann zu schreiben.
Kapitel 11
Mein lieber Felix,
ich vermisse Dich unendlich. Das weißt Du zwar inzwischen, trotzdem wollte ich es Dir noch einmal sagen. Ich wünschte nur, ich müsste Dir das überhaupt nicht sagen. An jedem einzelnen Tag wünschte ich, dass alles anders wäre. Ich wünschte, ich könnte alles ändern.
Wir werden niemals einen Sinn in alldem sehen. Wir werden niemals einen Grund für all das finden. Natürlich kenne ich die eigentlichen Ursachen, aber ganz gleich, wie oft ich es in Gedanken durchgehe, ich finde keinen einzigen Grund, warum Du uns so früh genommen wurdest. Es war ein Unglück. Es war ein Unglück. Dieses Wort ist mir ja so verhasst.
Die Welt hätte sich doch weiterdrehen können, auch mit Dir. Warum musste das Universum oder Gott oder wer auch immer zuständig ist, falls überhaupt jemand zuständig ist, Dich von der Bühne dieser Welt verdrängen? Hätte es mit Blick auf das Ganze, auf das große Theater, einen Unterschied gemacht, wenn die Welt Dich hätte leben lassen? Du warst nicht einmal zwei Jahre alt. Ich begreife es einfach nicht. Tyrannen, Dieben, Betrügern, Mördern, gewalttätigen Ehemännern, sogar Folterknechten wird gestattet, Tag für Tag über diese Erde zu wandeln, weil irgendjemand irgendwo entscheidet, sie dürfen leben, Du aber nicht. Felix, das ist unerträglich.
Du hast nicht nur gelebt. Du hast geleuchtet. Du hast von Tagesanbeginn bis Tagesende geleuchtet. Und das an jedem einzelnen Tag Deines Lebens. In Deinen Augen war ein Funkeln, ein Funke und ein Funkeln. Du hast das Leben geliebt. Du hast alles mit Wonne und Freude getan. Du hast Wonne und Freude in unser Leben gebracht. Du hast uns zum Lachen gebracht. Du hast uns so viel Freude bereitet. Du hast uns allen bewusst gemacht, dass das Leben auch in schweren Zeiten lebenswert und dass ein Kinderlachen erfrischender als die beste Luft der Welt ist.
Wir sind unendlich traurig. Wir alle. Dass Du uns verlassen hast – dass Du uns genommen wurdest –, hat uns alle innerlich zerrissen. Ich weiß nicht, ob diese Wunden jemals heilen werden. Wie auch, wenn Du nicht mehr bei uns bist? Wenn wir doch so furchtbar leiden – jeder auf seine Weise, aber alle unter dem gleichen Kummer. Ich hatte immer geglaubt, ein solches Ereignis, die Trauer, der Versuch, so etwas zu bewältigen, würde Menschen einander näherbringen. Jetzt verstehe ich, warum das Gegenteil geschieht. Es schmerzt so sehr, man kann den Schmerz nicht teilen.
Ich vermisse Dich, mein Felix. Ich vermisse Dich. Immer. Unentwegt.
Kapitel 12
Seit Charlie in seiner E-Mail die Schwarze Sieben und die Fünf Freunde erwähnt hatte, musste ich wieder an die Bücher meiner Kindheit denken. Wenn mich die Erinnerung nicht im Stich ließ, wurden dort sämtliche
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