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Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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dazugekommen. Sie hat ein bisschen mit ihm geflirtet, aber das macht sie mit allen, das gehört zur Show, und dann ist auch Dad dazugekommen, und ich war heilfroh, als wir gehen konnten.
    Ich habe heute auch mit meinem Freund Schluss gemacht. Na ja, er war nicht wirklich mein Freund. Wir waren ein paar Mal zusammen weg, und es war ganz nett, aber er war wohl nur mit mir zusammen, damit er das seinen Freunden erzählen kann. Und ich mache hier nicht einen auf Opfer oder eingebildet, das war echt so. Mum hat mir auch schon einen Vortrag gehalten. In London würden mich die Geier erwarten. Geier, ernsthaft! »In London warten Geier, Jess, die ein hübsches Mädchen wie dich nur ausnutzen wollen.« Da ist mir die Wahrheit rausgerutscht: »Ach, Mum, das haben sie doch längst getan! Ich habe ja nicht gerade wie eine Nonne gelebt, auch wenn ich sieben Jahre auf einer Nonnenschule war!«
    Na, damit hatte ich ein Wespennest ausgelöst, oder wie das heißt. Mum sofort: »Jess, wir müssen reden.« Und dann haben wir geredet. Ich glaube, sie war ein bisschen schockiert, dass ich schon Sex hatte. Mein Gott, ich bin fast zweiundzwanzig. Willkommen in der Wirklichkeit! (Anm. für mich – aus der endgültigen Fassung streichen?? Will Mum ja nicht verletzen.) Bei meinem ersten Mal war ich siebzehn, das ist eine halbe Ewigkeit her. Ich hatte mir das gut überlegt, und er hat mich auch überhaupt nicht unter Druck gesetzt, so wie Tennilles Freund, der überall rumerzählt hat, sie wäre frigide, damit sie endlich mit ihm schläft. Mit – nennen wir ihn Mr X, denn sein richtiger Name war Xavier, LOL! – war es sogar ziemlich romantisch, gemessen daran, was mir die anderen Mädchen über ihr erstes Mal erzählt hatten. Ich glaube, er war, bevor wir losgelegt haben, noch viel nervöser als ich.
    Ich habe mich mit meinem Körper eben schon immer wohlgefühlt. Das muss man, wenn man Tänzerin ist und die ganze Zeit vor einem Spiegel steht, und außerdem – das klingt jetzt vielleicht ein bisschen berechnend – wollte ich meine Jungfräulichkeit loswerden, und zwar ASAP, damit ich viel mehr Rollen spielen kann. Ich kann ja schlecht für eine sexy Rolle in, keine Ahnung, Chicago oder West Side Story vorsingen, wenn ich es selbst noch nie getan habe, oder? Ich meine, natürlich könnte ich, ich könnte es spielen, aber ich würde die Rolle viel authentischer verkörpern, wenn ich es wirklich erlebt hätte. Darum sind unter den besten Schauspielerinnen der Welt auch so viele ältere Frauen, so wie Judi Dench, Maggie Smith oder Meryl Streep, hat meine Schauspiellehrerin mal gesagt, weil sie Lebenserfahrung haben und, wenn sie ein Gefühl darstellen müssen, nur auf ihr eigenes Leben schauen müssen, auf eine Situation, als sie sich wirklich so gefühlt haben! Die Schauspielerei ist schon irre! Es hilft natürlich, wenn man gern angesehen wird, und das tue ich, aber ich würde nie im Leben Schauspielerin werden, wenn ich nicht davon überzeugt wäre, dass ich mein Bestes gebe. Mir ist das alles nicht auf dem Silbertablett präsentiert worden, auch wenn das manche Leute glauben. Ich habe für alle meine Rollen hart gearbeitet, und ich trainiere jeden Tag, und zwar viele Stunden, und das zahlt sich eben aus.
    Eins der Mädchen aus der Tanzklasse war heute wirklich gemein zu mir. »Wenn deine Eltern nicht so reich wären und sich das leisten könnten, würdest du doch nie nach London gehen. Das hat doch überhaupt nichts mit Talent zu tun.« Sie ist einfach so auf mich zugekommen. Ich konnte es echt nicht fassen.
    »Überlassen wir das letzte Wort doch den Produzenten am West End und nicht dir«, habe ich nur arrogant gesagt und bin gegangen. Ich habe wirklich arrogant gewirkt. Ich habe es später vor dem Spiegel nachgespielt!
    In der Theaterwelt ist es manchmal echt brutal. Ehrlich. Ich weiß, auf der Bühne wirkt es, als wären wir alle die besten Freunde, und am Ende der Show lächeln und tanzen wir und umarmen und verbeugen uns, aber es kann richtig hart zugehen. Leute, die man für seine Freunde hält, wenden sich gegen einen und lassen miese Sprüche los. Ich hatte zum Beispiel, als ich letztes Jahr, nach Canberra, endlich wieder in meine Klassen gegangen bin, niemandem erzählt, was passiert war, aber ein paar Wochen später habe ich erfahren, dass der Leiter unseres Colleges alle zusammengerufen, es erzählt und alle um Verständnis gebeten hat. Und daran haben sie sich auch gehalten, die meisten jedenfalls. Anfangs hat es alles

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