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Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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Flughafen gesagt, ihm würde der Gedanke gar nicht gefallen, dass ich meine ersten Stunden in London unter der Erde verbringen würde, also habe ich mir ihm zuliebe ein Taxi genommen. Und es war wirklich wie im Film! Doch nach einer halben Stunde im Stau habe ich mir gewünscht, ich säße in der Tube. Außerdem, nicht dass ich das zu Mum und Dad je sagen würde, aber auf den ersten Blick ist London ziemlich hässlich. Eigentlich sieht’s hier aus wie überall. Das hätte auch Melbourne im Winter sein können, die Häuser und kahlen Bäume und überall Baustellen und dann dieses komische Zwielicht, als ob der Tag nicht Tag sein wollte, aber auch nicht Nacht, falls das irgendeinen Sinn ergibt. Und die Leute hier sehen auch nur aus, wie Leute eben aussehen. Büroangestellte, Teenager beim Shoppen, normale Leute, die normale Sachen tun, dafür in Schal und Mantel.
    JEDENFALLS, ich hatte ja gedacht, dass mir Mum und Dad in der ersten Woche so was wie ein Youth Hostel gebucht hätten, aber nein – es ist ein ganz besonderes Hotel mitten in Covent Garden! Wie in My Fair Lady ! Die beiden sind ja SO toll! Sobald ich auf meinem Zimmer war, habe ich gleich in den Hotelführer geschaut, und da steht, dass in dem Hotel alle großen Stars absteigen, wenn sie auf Publicity-Tour oder zum Drehen in London sind! Mein Zimmer ist der Wahnsinn. Mit HIMMEL-Bett und einem riesigen Badezimmer. Ich weiß, ich hätte gleich auf Entdeckungstour gehen sollen, aber ich habe mich so dreckig gefühlt, und das Bad war so einladend. Also habe ich mich erst mal eine Stunde in die Badewanne gelegt, aber dann bin ich losgezogen.
    Natürlich bin ich SOFORT ins West End gegangen!!! Meine Lehrer sagen immer – und lustigerweise sagt meine Therapeutin das auch –, wenn etwas Wirklichkeit werden soll, soll man sich genau vorstellen, wie das aussehen würde. Also habe ich mich vor eins der Theater gestellt und nach oben auf die Leuchtschrift geschaut und mir vorgestellt, da oben würde MEIN Name stehen, neben MEINEM Foto, ich im Kostüm, ganz weit oben, auf einem riesigen Plakat. Und dann habe ich mir vorgestellt, wie ich abends zur Arbeit komme und dass ich zum Portier und den Bühnenhelfern ganz reizend bin. Erstens, weil ich das immer bin, es gehört sich einfach so, aber auch, weil ich einmal gelesen habe, dass man immer nett zu denen sein soll, die man auf dem Weg nach oben trifft, weil sie einen auf dem Weg nach unten wieder auffangen oder so was in der Art. Mein Jetlag ist wohl noch zu schlimm, ich kann noch nicht klar denken.
    Aber egal, ich habe also da gestanden und mir all die Theater angesehen, und es war einfach unglaublich, die Namen von all den Musicals zu sehen, die ich ja wirklich in den vergangenen zehn Jahren auf der anderen Seite der Welt einstudiert habe!!
    Aber, nur unter uns, liebes Tagebuch, es war zwar aufregend, das alles endlich mit eigenen Augen zu sehen, doch ich war auch ein bisschen enttäuscht, wie gewöhnlich das alles in diesem fahlen grauen Licht wirkt. Das habe ich zu Mum und Dad natürlich nicht gesagt, als ich sie angerufen habe, um ihnen mitzuteilen, dass ich gut angekommen bin und mir auch schon die Theater angesehen habe. (»Na, was würde meine Jessie denn auch sonst tun?«, hat Dad gesagt!) Vielleicht sieht es heute Abend, wenn ich noch mal hingehe, anders aus, wenn die Lichter an sind und überall Leute herumstehen, die sich schick gemacht haben.
    Alles eine Frage der Beleuchtung, wie Mum immer so schön sagt. Mit der Beleuchtung hat sie’s echt. Angeblich wirkt man im richtigen Licht bei einem Fotoshooting zehn Jahre jünger. In letzter Zeit spricht sie oft über ihr Alter, dabei ist sie doch noch gar nicht so alt, erst fünfundfünfzig oder so, aber ich musste ihr versprechen, dass ich niemandem verrate, wie alt sie ist. Außerdem – hier kann ich das ja schreiben, liebes Tagebuch, obwohl ich mich zur Verschwiegenheit verpflichten musste. Davon abgesehen hat Mum, wenn das hier publiziert wird, darüber längst in Interviews geredet! Na jedenfalls, das große Geheimnis ist – sie hat letzte Woche mit Botox nachgeholfen. SIE HAT SICH GIFT INS GESICHT GESPRITZT. Also nicht sie, das hat natürlich ein Arzt getan. Mir war nur aufgefallen, dass sie irgendwie komisch aussieht, und dann habe ich sie direkt gefragt, und sie hat es zugegeben, mir aber gesagt, dass ich Dad nichts verraten soll. Zu ihm hat sie wohl gesagt, sie wäre beim Zahnarzt gewesen – für wie blöd hält sie den Mann? Na jedenfalls,

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