Das Haus am Lake Macquarie
noch kurz, bevor Celia nach oben geht und ihre Mutter holt. Der Auflauf ist so gut wie fertig, wir können also jederzeit essen. Allerdings weiß ich nicht, ob Jessica etwas essen wird. In letzter Zeit nimmt sie nur sehr wenig zu sich. Ich hoffe sehr, dass Ihr Besuch sie ein wenig aufmuntern wird”, sagte sie, an Luke gewandt. “Ich habe eine Flasche Hunter Valley aufgemacht. Sie mögen doch sicher Rotwein, Luke?”
“Ausgesprochen gern”, erwiderte er und ließ sich auf dem mit geblümtem Stoff bezogenen Sofa nieder. “Aber ich kann nur ein oder zwei Gläser trinken, weil ich fahren muss.”
“Sehr vernünftig”, lobte Tante Helen und setzte sich in einen der Sessel. “Ich finde es schlimm, wie viele Menschen heute in angetrunkenem Zustand Auto fahren – dadurch passieren so viele Unfälle!”
Celia zuckte zusammen. “Tante Helen”, sagte sie warnend.
Helen blickte sie verständnislos an.
“Lukes Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen”, erklärte Celia leise.
Ihre Tante wirkte erschüttert. “Du meine Güte! Wie konnte ich nur so taktlos sein? Bitte entschuldigen Sie, Luke! Ich habe einfach nicht nachgedacht.”
“Schon gut, Helen”, sagte Luke verständnisvoll. “Ich weiß doch, dass Sie es nicht böse gemeint haben.” Er wechselte das Thema. “Ich würde heute gern einige Antworten auf die Fragen erhalten, die ich mir seit einiger Zeit gestellt habe – über die Beziehung zwischen meinem Vater und Ihrer Schwester.”
“Was für Fragen? Die Wahrheit ist doch ganz einfach: Ihr Vater hatte zwanzig Jahre lang eine Affäre mit meiner Schwester.”
“Das glaube ich Ihnen gern, Helen. Aber ich habe meinen Vater immer als perfektes Familienoberhaupt gesehen. Natürlich ist niemand vollkommen, doch es fällt mir sehr schwer, mir meinen Vater als gewissenlosen Verführer vorzustellen. Ich hatte gehofft, von Ihrer Schwester einige Antworten zu bekommen, damit ich mit meinem Vater innerlich Frieden schließen kann. Ich …” Luke unterbrach sich und blickte sprachlos zur Treppe.
Celia folgte seinem Blick. Oh nein, dachte sie.
Ihre Mutter kam die Treppe herunter. Mit einer Hand hielt sie das Geländer umklammert. Sie war ungeschminkt und trug einen zartrosa Morgenmantel aus Seide. Das rotgoldene Haar fiel ihr auf die schmalen Schultern. Während der letzten Tage hatte Celias Mutter stark abgenommen. Unter den Augen hatte sie dunkle Ringe. Und doch sah sie im sanften Licht der Lampe sehr jung aus – und unglaublich schön.
“Mum, das ist Luke, Lionels Sohn”, sagte Celia schnell, bevor ihre Mutter einem Irrtum aufsitzen konnte. “Er hat gute Neuigkeiten für dich.”
Jessica wirkte, als würde sie träumen. Sie sah Celia nur kurz an und wandte ihren sehnsüchtigen Blick dann wieder Luke zu.
“Ich … ich habe Lionels Stimme gehört”, sagte sie leise. “Ich dachte schon, ich würde den Verstand verlieren.” Tränen traten ihr in die Augen. Vorsichtig, als würde sie schlafwandeln, stieg sie die letzten Stufen herab. Keine Sekunde wandte sie den Blick von Luke. “Sie sehen genauso aus wie er”, flüsterte sie. “Und Sie haben seine Stimme.”
Luke stand auf und nahm ihre Hände in seine. “Das hat man mir schon oft gesagt”, erwiderte er sanft, während sie auf dem Sofa Platz nahmen. “Und ich finde, Ihre Tochter sieht
Ihnen
wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich.”
“Ja, das sagen viele Menschen. Aber engen Verwandten fällt diese Ähnlichkeit oft nicht auf.”
“Das ist wahr.”
Celia sah ihre Tante an. Diese gab ihr wortlos zu verstehen, dass sie beide das Zimmer verlassen sollten. Doch Celia zögerte. Was würde passieren, wenn Luke etwas Falsches sagte? Sie schüttelte den Kopf. Auch Helen blieb sitzen.
Als Jessica die Hand nach Lukes Arm ausstreckte, zuckte Celia insgeheim zusammen. Ihre Mutter hatte die Angewohnheit, andere Menschen häufig zu berühren, und nicht jedem gefiel das. Dankbar stellte sie fest, dass Luke es sich gefallen ließ.
“Wie … wie haben Sie von mir erfahren?”, fragte Jessica.
Wieder zuckte Celia zusammen. Hoffentlich würde Luke ihr nicht die ganze Wahrheit erzählen. Sie sah ihn an, doch er schien ihrem Blick absichtlich auszuweichen.
“Dad war einen Tag vor seinem Tod beim Anwalt”, erwiderte er. “Er wollte Ihnen das Haus in Pretty Point vermachen. Leider starb er, bevor er diesen Plan in die Tat umsetzen konnte. Als der Anwalt mir davon berichtete, war mir klar, dass Sie nicht nur eine gute Freundin sein
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