Das Haus am Lake Macquarie
konnten. Ich bin heute nach Pretty Point gefahren und habe dort zufällig Celia getroffen.” Er räusperte sich und fuhr fort: “Zuerst dachte ich,
sie
wäre die Miss Gilbert, die der Anwalt erwähnt hatte.”
Celia schloss einen Moment lang die Augen. Bitte erzähl ihr nicht, was ich getan habe, bat sie im Stillen. Es würde alles noch schlimmer machen.
Zu ihrer Erleichterung sagte Luke: “Celia hat mir erklärt, dass nicht sie, sondern ihre Mutter die … Freundin meines Vaters war. Als ich mir das Haus ansah, wurde mir klar, dass Sie seine Geliebte gewesen sein mussten”, fügte er sanft hinzu und lächelte. “Ich kenne die persönlichen architektonischen Vorlieben meines Vaters sehr genau. Er hat das Haus extra für sich und für Sie gebaut, nicht wahr?”
Unter Tränen nickte Jessica. “Sie müssen mich hassen”, sagte sie leise.
Wieder nahm Luke ihre Hände. Es war eine sehr liebevolle Geste. Celia war erstaunt, wie einfühlsam er war.
Luke schüttelte den Kopf. “Warum sollte ich? Ganz offensichtlich waren Sie nicht auf das Geld meines Vaters aus, sondern haben ihn wirklich geliebt. Und ich bin sicher, auch er hat sehr an Ihnen gehangen.”
Jessica blickte ihn so hoffnungsvoll an, dass es Celia einen Stich ins Herz gab. Sie konnte jetzt die Verzweiflung ihrer Mutter gut nachempfinden.
“Glauben Sie … glauben Sie das wirklich?”, fragte Jessica leise.
Celia hielt den Atem an. Was würde Luke wohl antworten?
“Natürlich”, sagte er zu ihrer unendlichen Erleichterung. “Mein Vater war ein anständiger Mensch. Es kann nur einen Grund geben, warum er meiner Mutter zwanzig Jahre lang untreu war: weil er sehr an Ihnen gehangen und viel für Sie empfunden hat. Ich würde nur gern erfahren, warum er sich nicht von seiner Frau getrennt hat, obwohl er doch offenbar nicht glücklich mit ihr war.”
Jessica sah Celia und Helen beunruhigt an. Dann wandte sie sich wieder an Luke. “Ihr Vater hat … er hat mir einige Dinge über Katherine, Ihre Mutter, im Vertrauen erzählt – Dinge, die andere Menschen nicht erfahren sollten.”
“Ich verstehe. Aber meine Eltern leben jetzt beide nicht mehr, und ich hätte wirklich gern Antworten auf einige meiner Fragen.” Luke zögerte. “War meine Mutter … frigide?”, fragte er dann.
Jessica seufzte. “Also gut, ich werde es Ihnen sagen. Schließlich wird niemand der Anwesenden es weitererzählen. Ihre Mutter ist als junges Mädchen überfallen worden.”
Luke sah sie entsetzt an. “Sie meinen, sie wurde vergewaltigt?”
“Ja. Sie war damals erst dreizehn Jahre alt.”
Celia war erschüttert. Das arme Mädchen! Und der arme Luke – er wirkte wie vor den Kopf geschlagen.
“Ihre Mutter hat nie jemandem davon erzählt”, fuhr Jessica fort. “Aber natürlich kann man ein solches furchtbares Erlebnis kaum unbeschadet überstehen – besonders wenn man nicht darüber spricht.”
Luke nickte schweigend.
“Sie ließ es nicht zu, dass Lionel sie vor der Hochzeit berührte. Deshalb dachte er, sie wäre noch Jungfrau. Wie Sie sich vorstellen können, war die Hochzeitsnacht kein schönes Erlebnis – ebenso wenig wie die Flitterwochen. Lionel sagte, seine Frau habe sehr versucht, ihm zu gefallen, doch offenbar war ihr alles zuwider, was mit Sex zu tun hatte. Obwohl er sie liebte, dachte er darüber nach, sich scheiden zu lassen. Doch als sie dann schwanger wurde, konnte er sie natürlich nicht verlassen.”
Jessica lächelte wehmütig. “Nachdem Sie zur Welt gekommen waren, litt sie mehr als ein Jahr lang unter einer postnatalen Depression. In dieser Zeit traute Lionel sich kaum, sie zu berühren. Als er eines Tages nach Hause kam, schrie seine Frau ihren kleinen Sohn an, der in der Wiege lag. Sie warf Ihnen vor, dass Sie ein Junge waren – denn alle Jungen würden später einmal bösartig werden, meinte sie. Lionel ging sofort mit ihr zum Psychiater. Mit Hilfe von Hypnose kam dann endlich die Wahrheit ans Licht. Danach machte sie eine Therapie und konnte Lionel schließlich eine perfekte Ehefrau und Ihnen eine perfekte Mutter sein. Allerdings fand sie nie Gefallen an Sex. Aber wenn Lionel nicht regelmäßig mit ihr schlief, wurde sie misstrauisch und weinte. Wenn er auf Geschäftsreise musste und sie deshalb eine Weile lang keinen Sex haben konnten, war sie unendlich erleichtert. Es tat Lionel furchtbar weh, das zu sehen.”
Auf Lukes Gesicht spiegelten sich Ungläubigkeit und Verzweiflung wider. Sicher war es nicht leicht für ihn, all diese
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