Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
Vom Netzwerk:
Schmuckstück anfertigen und verkaufen. Sie wird ein halbes Dutzend machen oder noch mehr. Sie wird mit allem Komfort nach New York reisen und als reiche Frau dort eintreffen.

Einundzwanzig
    I sabella hat den Leuchtturm seit drei Wochen nicht verlassen. Wozu auch? In der Stadt wäre sie nur in Gefahr; Xavier ist verreist und wird nicht an den Strand kommen; und außerdem hat sie so furchtbar viel damit zu tun, aus dem Schatz ihres toten Ehemannes Broschen und Armbänder zu fertigen. Sie arbeitet, um nicht über die Zukunft, die Vergangenheit oder die Gegenwart nachzudenken. Der gemeinsame Geburtstag von Daniel und Xavier kommt und geht, und sie ist viel zu weit von beiden entfernt. Sie arbeitet so angestrengt, dass selbst der Schlaf keine Ruhe bringt. Die Geister von Bändern, Muscheln und Edelsteinen fügen sich auf der Innenseite ihrer Augenlider zusammen. Ihre Hände tun jeden Abend so weh, dass sie sie in der Eiskiste kühlen muss.
    Doch sie hat wunderschöne Dinge erschaffen. Sie schämt sich beinahe für die erste Brosche, die sie verkauft hat. Die neuen sind viel geschmackvoller und hübscher. Einzigartig, ohne sonderbar zu sein. Luxuriös, aber nicht aufdringlich. Matthew fragt seit Wochen, wie sie sie verkaufen will, und nun sagt sie ihm endlich, dass sie von der Anlegestelle am Noosa River aus mit dem Schaufelraddampfer nach Brisbane fahren will. Er wird blass.
    »Allein?«
    »Ja.«
    Er hat Angst, lässt sie aber fahren.
    Und so steht sie nun an der Anlegestelle in Tewantin, in der Hand die Fahrkarte, die ein Pfund gekostet hat, in einem selbstgenähten Kleid, das nicht besonders gelungen ist. Sie drückt einen kleinen Koffer an sich, der kostbare Schmuckstücke und ein Ersatzkleid enthält. Sie wartet darauf, an Bord der Plover zu gehen, eines Schaufelraddampfers von neunzig Fuß Länge. Die Dämmerung ist feucht und kühl. Es riecht nach Sägemehl und Dung. Pferdewagen und Männer transportieren Fässer hin und her. Sie versucht, nicht aufzufallen, ist aber als einzige Frau allein unterwegs. Sie hört Frauenstimmen aus dem Salon, der sich schon gefüllt hat, doch mit ihr warten nur Männer in verblichener Kleidung, die zwischen gescheiterten Träumen von den Goldfeldern und einer sicheren Anstellung in der Stadt ihren Weg suchen.
    Sie müssen lange in der Spätnachmittagssonne warten, doch schließlich drängt man sie über den Landungssteg an Bord. Das Deck wird von einer großen, gestreiften Markise überspannt, doch die Seiten sind offen, und es ist ein kühler Tag. Manche Männer klappen Stühle aus und setzen sich hin, um beim letzten Tageslicht Zeitung zu lesen. Einige rauh aussehende Gestalten versammeln sich achtern, um Zigaretten zu rauchen. Isabella ist unschlüssig, was sie machen, wo sie sich hinsetzen oder hinstellen soll, und so sucht sie sich einen Platz an der Reling und schaut zu, wie der Fluss unter dem großen Schaufelrad, dem Geruch nach Kohle und dem Zischen des Dampfers verschwindet. Langsam entfernen sie sich von der Anlegestelle. Die Abendluft ist frisch, der Wind schmerzt in den Ohren.
    Sie werden nicht vor morgen früh in Brisbane eintreffen. Isabella wird in einer Pension übernachten, das Zimmer hat Matthew telegrafisch gebucht. Er war besorgt um sie, als er sie am Morgen in den gemieteten Wagen gesetzt hat – er sagte, sie solle die Haube tief ins Gesicht ziehen und sich immer umschauen, ob auch niemand sie erkannt habe. Als er sich an der Anlegestelle von ihr verabschiedete, hat er gesagt, sie habe sicher Angst, allein zu reisen, doch das stimmt nicht. Sicher, sie spürt ein leises Kribbeln der Furcht, vor allem aber ist sie aufgeregt. Ihr Plan nimmt Gestalt an. Eine kleiner Funke Eitelkeit brennt in ihr, weil sie es genießt, Schmuck herzustellen und zu verkaufen. Sie kann das gut. Man hat ihr nie erlaubt, etwas gut zu können.
    Die Plover bewegt sich langsam durch das ruhige Wasser des Flusses und durch die Mündung hinaus aufs Meer. Sie erinnert sich an den Tag, an dem sie England verlassen hat – es scheint eine Million Jahre her zu sein. Gewiss war sie damals ein anderer Mensch. Die Nacht bricht herein, und die Küste ist zu dunkel, um etwas zu erkennen. Sie nimmt sich einen Klappstuhl und lehnt sich zurück. Ein Steward bringt ihr das Abendessen in einer braunen Papiertüte: einen verschrumpelten Apfel, Brot und Käse. Sie legt es unter ihren Stuhl und zieht die Beine an sich.
    Die rauchenden Arbeiter lassen Flachmänner kreisen und werden allmählich ungehobelt.

Weitere Kostenlose Bücher