Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
hör mal zu«, zischt er. »Du bist nichts. Gar nichts. Niemand wird dir glauben, wenn du so etwas sagst …«
»Sie hören mir zu.«
Er steckt sich die Zigarre in den Mund, verschränkt die Arme und funkelt sie an. Der üppige Rauch fängt sich in ihrer Kehle. Erinnert sie auf unerklärliche Weise an ihre Kindheit. Vielleicht hat ihr Vater Zigarren geraucht. Sie atmet den Geruch tief ein.
»Na los. Ich höre.«
»Ich brauche Ihre Hilfe.«
Er zieht eine Augenbraue hoch.
»Ich brauche Dinge aus Brisbane. Sie fahren ständig dorthin.«
Sein Gesicht verzieht sich zu einem Grinsen. »Du willst mich also erpressen? Ich habe kein eigenes Geld, wie du weißt. Sie achtet auf jeden Penny, der mein Konto verlässt.«
»Nein, ich will kein Geld von Ihnen. Ich brauche nur Ihre Zeit.« Sie holt die Brosche aus der Manteltasche. »Sehen Sie her.«
Er schaut auf ihre Hand, holt ein Streichholz aus der Westentasche und zündet es an. Es erwacht flackernd zum Leben, lässt den dunklen Saphir funkeln und ihre Handfläche bernsteinfarben erglühen.
»Sie ist einer der wenigen Wertgegenstände, die ich besitze. Ich möchte, dass Sie sie für mich verkaufen und mir dafür einige Dinge mitbringen.«
Er wirkt verwirrt und erleichtert.
»Das ist ganz und gar unkorrekt«, knurrt er.
»Ich verlange nicht viel. Und ich werde mit meinem Schweigen bezahlen.«
»Also doch Erpressung.«
»Bestechung. Das klingt hübscher.«
Er pafft seine Zigarre, die leuchtenden Augen auf ihr Gesicht gerichtet. Dann nimmt er ihr die Brosche aus der Hand. »Ich fahre am Freitag. In einer Woche bin ich zurück. Das wird das Einzige sein, was ich für dich tue. Keine weiteren ›Bestechungen‹.«
»Einverstanden.« Sie gibt ihm die Liste mit den Dingen, die sie braucht. »Ich hoffe, es bleibt Geld übrig. Das bringen Sie bitte in bar mit.«
Rasch überfliegt er die Liste und verkneift sich die Frage, wozu sie Silberdraht und eine Juwelierlupe braucht. Er will dieses Geschäft schnell und mit möglichst wenig Aufwand hinter sich bringen. Er schaut ihr ins Gesicht. »Wer bist du?«
»Mary Harrow« antwortet sie, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Du bist mehr als das. Das hat Katarina immer geahnt.«
»Ich bin nur das, was Sie vor sich sehen.«
»Es ist dunkel. Du stehst im Schatten. Ich kann dich kaum erkennen.«
Isabella neigt den Kopf. »Wann können wir uns wieder treffen?«
»Freitag in einer Woche. Hier, zur selben Zeit. Dann werde ich deine Sachen haben. Damit ist jegliche Beziehung zwischen uns beendet.«
Sie hebt den Kopf. »Eins noch. Dürfte ich eine Zigarre haben?«
Er klopft auf seine Taschen, holt eine heraus und beugt sich vor, um ihr Feuer zu geben. Sie hustet und würgt, während er sie belustigt beobachtet.
»Du solltest wissen, dass Katarina herumerzählt, du hättest sie bestohlen.«
»Ach ja?«
»Es war die einzige Möglichkeit, dein plötzliches Verschwinden zu erklären. Ich an deiner Stelle wäre vorsichtig in der Stadt.«
»Das werde ich. Vielen Dank.«
Später sitzt Isabella am Strand und raucht die Zigarre zu Ende. Der Husten und das Würgen sind vorbei, Kehle und Lunge haben sich daran gewöhnt. Sie spürt ein warmes, angenehm distanziertes Gefühl im Kopf. Sie hofft, dass Matthew zu beschäftigt ist, um sich Sorgen zu machen. Sie genießt es, hier draußen zu sein, statt sich im Leuchtturm vor den Augen und Meinungen anderer zu verbergen. Sie raucht ihre Zigarre und schaut auf den Ozean und träumt von den Dingen, die vielleicht kommen werden.
Sie teilen ein Bett, schlafen aber nicht zur selben Zeit darin. Matthew schläft nachmittags, dann verbringen sie einige Stunden gemeinsam und essen zu Abend, danach geht sie schlafen. Sie arbeitet, während er schläft; er arbeitet, während sie schläft. Sie lieben sich nachmittags, wenn sie wach ist und er seine lange Schicht beendet hat und den Trost ihres Körpers braucht.
Sie macht sich allein im Leuchtturm zu schaffen, wenn er ruht, versucht, leise zu sein, langweilt sich, ist einsam und der Verzweiflung nahe. Nun, da sie nichts tun kann, außer abzuwarten, bis Abel Barrett mit ihrem Material zurückkommt, sind die Nachmittage lang und leer. Matthew hat ihr Bücher gegeben, aber sie war nie eine große Leserin. Stundenlanges Stillsitzen macht sie ungeduldig. Sie denkt zu viel nach; ausschweifende, entfesselte Phantasien darüber, wie das Leben jenseits des Ozeans sein mag. Manchmal sind die Phantasien angenehm, dann wieder machen sie ihr Angst. Die
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