Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
Winterbourne, aus der Juweliersfamilie. Wir haben kürzlich meinen lieben Bruder bei einem Schiffbruch an der Nordküste verloren.«
Lady McAuliffes Augen weiten sich entsetzt. »Das ist ja schrecklich! Sie Ärmster. Was für eine furchtbare Tragödie. Wie kann ich Ihnen helfen?«
Percy holt den gefalteten Zeitungsausschnitt aus dem Queenslander aus der Tasche. »Ich habe dieses Foto von Ihrem Ball gesehen.«
Lady McAuliffe schaut es argwöhnisch an.
»Kennen Sie diese Frau?« Er deutet auf Isabella.
»Ja, das ist Mary Harrow.«
»Nein, es ist Isabella Winterbourne. Die Frau meines verstorbenen Bruders.«
Kurze Stille. Dann kommt ein Hausmädchen mit einem Teetablett herein, und sie betrachten einander, während sie es serviert.
»Es reicht«, sagt Lady McAuliffe schließlich. »Ich gieße ein. Und du sorgst dafür, dass die Tür fest geschlossen ist.«
Als das Mädchen gegangen ist, sagt Lady McAuliffe: »Was sagen Sie da? Wie meinen Sie das?«
»Sie hat sich nur als Mary Harrow ausgegeben. Sie ist eine Diebin. Sie hat meiner Familie etwas sehr Wertvolles gestohlen und ist damit entkommen. Verraten Sie mir bitte, wie eine so junge Frau als Einzige einen Schiffbruch überleben kann? Ich weiß, dass sie eine Diebin ist, vermute aber, dass sie auch eine Mörderin sein könnte.«
Lady McAuliffe gießt den Tee ein, lehnt sich zurück und trinkt einen Schluck. »Ich bin schockiert.«
»Ich muss sie finden.«
»Werden Sie die Polizei einschalten?«
»Nein. Ich möchte sie selbst finden.« Als ihm klarwird, dass es zu harsch klingt, fügt er hinzu: »Sie gehört immer noch zur Familie. Wir hoffen, sie zu … rehabilitieren. Es wird auf uns zurückfallen, wenn sie ins Gefängnis muss.« Er hofft, dass es überzeugend klingt. In Wahrheit hat er Mutter noch gar nicht geschrieben, dass er Isabella aufgespürt hat. Er will sie stellen und dann selbst über ihre Strafe entscheiden. Schweiß sammelt sich auf seiner Oberlippe.
Doch Lady McAuliffe schüttelt den Kopf. »Tut mir leid, aber ich kann Ihnen nicht helfen. Ich habe keine Ahnung, wo sie sich befindet. Wir kennen uns nur sehr flüchtig. Sie war die Freundin einer Freundin und ist erst im letzten Augenblick auf dem Ball erschienen. Warum lassen Sie mir nicht Ihre Karte hier, dann höre ich mich um.«
Druck baut sich in Percys Kopf auf. Er hat den weiten Weg gemacht, und jetzt kennt sie Isabella angeblich kaum? Er muss sich sehr bemühen, in gemessenem Ton zu sprechen. »Ja, ich wäre Ihnen sehr dankbar für jegliche Hilfe.«
Sie deutet auf die Kanne. »Möchten Sie Tee?«
Er schüttelt den Kopf. »Nein, mir ist nicht danach.« Ihm ist eigentlich nur nach Rache. Und je länger er darauf warten muss, desto heftiger wird sie ausfallen.
Nur zufällig geht er bei Hardwick hinein. Er hat die Anzeige in der letzten Ausgabe des Brisbane Courier gesehen und bemerkt, dass sie eine große Kollektion an Winterbourne-Schmuck anbieten. Als er am Schaufenster vorbeikommt, erscheint es ihm angemessen, sich den Laden einmal anzusehen.
Von da an passiert nur noch Gutes. Ein schwer beeindruckter Max Hardwick zeigt ihm das Verkaufsregister, um zu beweisen, wie wichtig der Winterbourne-Schmuck für sein Geschäft ist. Dabei fällt Percys Blick auf den Namen »Mary Harrow«.
Er deutet auf die Seite. »Mary Harrow. Wer ist das?«
»Ach, eine junge Frau, die selbst Schmuck herstellt. Sehr hübsch. Wir hatten drei oder vier Stücke, die sich rasch verkauft haben, aber sie hat mir danach nichts mehr angeboten.«
In Percys Ohren dröhnt es so laut, dass er fast nichts mehr hören kann. »Verstehe. Wo kann ich sie erreichen?«
Und dann hat er die Antwort. Lighthouse Bay. Zu Händen des Telegrafenamtes, das sich Max Hardwick zufolge im Leuchtturm befindet.
Percy marschiert zur Tür hinaus.
Am Abend vor ihrer Abreise liegt Isabella in der warmen Badewanne. Das Wasser lindert die Schmerzen in Knochen und Rücken, und sie schließt die Augen und lässt sich einige Minuten lang einfach treiben. Sie und Matthew begegnen einander seit Tagen distanziert, teilen nicht mehr das Bett, schlafen nicht miteinander, vermeiden sogar, einander in der Küche zu berühren. Wann immer sie den schmerzlichen Drang spürt, sich an ihn zu schmiegen, unterdrückt sie ihn mit ihrer Vernunft. Sie können nicht zusammen sein, also hat es auch keinen Sinn, den Schmerz mit langen, traurigen Umarmungen zu vergrößern. Morgen um diese Zeit wird sie an der Anlegestelle auf die Überfahrt nach Sydney
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