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Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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Luft an, war sich sicher, dass Mark jeden Augenblick herauskommen würde, groß und stark, nur in Boxershorts und blauem Morgenrock, das dunkle Haar fiele ihm lockig über die Ohren. Und er würde sie anlächeln und ihr Haar berühren, und er wäre Fleisch und Blut und Atem. Aber er würde nicht herauskommen. Nie wieder.
    Und Juliet war einer der wenigen Menschen, die einen solchen Verlust nachempfinden konnten.

    Das Lieblingscafé von Libby und Mark am Boulevard Saint-Germain war im Art-déco-Stil eingerichtet und hatte sich seit den 1930er Jahren kaum verändert. Sie saßen immer am Eingang, links vor der Tür. Mark ärgerte sich, wenn der Tisch besetzt war. Er hatte immer eine Ausgabe des Guardian bei sich, die er im internationalen Presseladen kaufte oder aus London mitbrachte.
    Heute kam Libby allein ins Straßencafé, legte die gefaltete Ausgabe des Guardian dorthin, wo Mark gesessen hätte, und bestellte das Übliche: einen Café au Lait für sich und einen Espresso für ihn. Dann wartete sie auf die Getränke und registrierte den vertrauten Blick auf die cremefarbenen und weißen neoklassizistischen Gebäude in der Rue Saint-Benoît, den Verkehr, die Fußgänger in ihren dunklen Mänteln. Sie atmete die Gerüche von Paris ein – Abgase, geschnittene Lilien, Regen auf Pflaster – und fragte sich, wie sie es über sich bringen sollte, von hier wegzugehen. Die Abschiedsparty im Büro schien für jemand anderen bestimmt zu sein, für eine glückliche Frau, die mit sich im Reinen war, eine Frau ohne dunkle Vergangenheit und mit einer leuchtenden Zukunft.
    »Warten Sie auf Ihren Freund?«, erkundigte sich der Kellner, als er Marks Espresso neben die Zeitung stellte.
    Libby zwang sich zu lächeln, doch ihr Herz tat weh. Nein, er kommt nie wieder. Sie trank von ihrem Kaffee, während Marks in der frischen, morgendlichen Frühlingsluft abkühlte. Sie schloss die Augen und stellte sich ein Gespräch mit ihm vor, das sich aus vielen gemeinsamen Gesprächen zusammensetzte.
    »Wie war die Fahrt?«
    »Gut«, sagte er. »Im Zug habe ich eine Menge geschafft.«
    »Hast du viel zu tun?«
    »Wie immer.« Ein leichtes Lächeln, er klopfte mit den Knöcheln auf die Zeitung, was so viel hieß wie: Lass mich lesen .
    Libby öffnete die Augen. Über ihr hatten sich graue Wolken gesammelt, in der Luft hing Feuchtigkeit. Der Flug ging in drei Stunden. Ihr schmerzendes Herz pulsierte kalt hinter den Rippen. Alles tat weh. Sie trank langsam ihren Kaffee. Zum letzten Mal. Dann nahm sie Tasche und Schlüssel und stand auf. Zum letzten Mal. Als sie das Café verließ, setzte Nieselregen ein. Sie drehte sich um. Marks Kaffee stand unberührt auf dem Tisch, seine Zeitung flatterte im Wind.
    »Leb wohl«, sagte sie und ließ Paris und Mark hinter sich.

Zwei
    Der Ozean
    L ibby stockte der Atem, als sie vom Highway auf die Straße zur Küste abbog, um einen ersten Blick auf den weiten Pazifik zu werfen. Es war ein perfekter Februartag. Der blaue Himmel war wolkenlos, und die Sonne schien weiß-gelb aufs Wasser. Der Ozean funkelte in Blau- und Grüntönen, die mit Gold unterlegt waren. Die Nachmittagsbrise frischte auf, setzte dem Wasser weiße Schaumkronen auf und zerzauste die Flügel der Möwen. Hoch oben auf einer Klippe hielt Libby an. Sie überquerte die Straße und blieb auf dem Grasstreifen stehen, um alles auf sich wirken zu lassen.
    Der Geruch. Er war vertraut und weckte tief vergrabene Gefühle in ihr. Algen. Salz. Ein Geruch, der gleichzeitig belebend und überwältigend war. Sie nahm ihn tief in ihre Lungen auf. Von hier aus konnte sie nach Norden bis zu der felsigen Landzunge sehen, die sich um die Nordspitze der Lighthouse Bay schmiegte, wo sie als Kind gelebt hatte. Die Sonne fiel auf die getünchten Ziegel des alten Leuchtturms. Ihr stockte der Atem.
    Libby drehte sich um und kehrte zum Auto zurück. Sie hatte es erst vor zwei Tagen gekauft und litt noch unter dem Jetlag. Sie war seit Jahren nicht Auto gefahren. In Paris war das nicht nötig gewesen, und wenn sie die Ferien mit Mark verbracht hatte, war er gefahren. Sein Mercedes war ihm heilig gewesen, und er hatte jeden Vorstoß ihrerseits, einmal das Steuer zu übernehmen, sanft, aber entschieden abgelehnt. Es war eine interessante Erfahrung gewesen, mit dem kleinen Subaru vom Parkplatz zu fahren. Sie hatte die Kupplung zu schnell kommen lassen und war förmlich in die Ausfahrt gehüpft. Dann musste sie sich in Erinnerung rufen, wie man am Berg anfuhr, bevor sie sich an

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