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Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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Lighthouse Bay so tröstlich gefunden hat. Doch während das Leuchtfeuer noch immer seinem Rhythmus folgt, spürt er, dass sein eigener unterbrochen wurde. Er ersehnt und fürchtet die vertraute Einsamkeit.

    Isabella erwacht noch vor der Dämmerung. Der Raum ist von aromatischem Pfeifenrauch erfüllt. Matthew steht an dem schmalen Fenster. Er pafft an seiner Pfeife, die flüchtig sein Gesicht erhellt. Sie blinzelt rasch, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben. Sein Gesicht sieht irgendwie friedlich aus. Matthew will ihr nichts Böses. Er ist ihr Leuchtfeuer in der Dunkelheit.
    »Es tut mir leid. Sie hatten gar keinen Platz zum Schlafen.«
    Er dreht sich um. »Ich schlafe nicht nachts, sondern nachmittags. Nachts habe ich sehr viel zu tun.«
    Die Schrecken der letzten Tage drängen in ihr Bewusstsein, doch der tiefe Schlaf in einem warmen Bett hat der Grausamkeit die Schärfe genommen. Die Zukunft ist noch nicht da, die Vergangenheit liegt hinter ihr. In diesem Augenblick ist sie sicher.
    Er nimmt die Pfeife aus dem Mund und klopft die Asche in einer Untertasse aus Ton aus, die auf dem Tisch steht. »Schlafen Sie noch ein bisschen, Mary.«
    »Ich heiße nicht Mary«, sagt sie spontan. Sie kann es nicht ertragen, Matthew zu hintergehen. »Ich heiße Isabella.«
    »Verstehe.«
    »Bitte verlangen Sie nicht, dass ich mehr sage.«
    Er presst die Lippen aufeinander, so dass sein Gesicht im Dunkeln grimmig wirkt. Dann sagt er sanft: »Das werde ich auch nicht. Ich frage nicht nach Ihrer Vergangenheit. Um Ihnen zu helfen, muss ich aber wissen, was Sie als Nächstes vorhaben.«
    Was hat sie als Nächstes vor? Noch vor einer Woche war sie sich so sicher: Sie wollte ihrem Mann entkommen, ihren Schmuck verkaufen und ihre Schwester in New York besuchen. Ihrem Ehemann ist sie entkommen. In England wartet ein Haus auf sie, Reichtum, ein angenehmes Leben, doch all das hat einen hohen Preis: die Bindung an seine Familie. Die alte Mrs. Winterbourne würde ständig um sie sein und versuchen, Isabella das Leben zur Hölle zu machen. Und Percy … ist zu allem fähig. Sie muss sich nur daran erinnern, wie er sie behandelt hat, als sein Bruder noch am Leben war.
    »Ich bin auf der Flucht«, sagt sie. »Ich will nach Amerika, zu meiner Schwester.« Als sie es ausspricht, spürt sie eine neue Entschlossenheit. »Ich bin einer lieblosen Ehe entflohen. Ich habe mein Kind verloren, und mein Mann wollte mich für meine Trauer bestrafen. Ich fahre nach New York, wo ich ein bisschen Trost finden und meiner Schwester Victoria beistehen kann, die selbst ein Kind erwartet. Und ich werde frei sein, um …« Isabella merkt, dass sie sich aufgesetzt und die Hände vor sich auf der Decke zu Fäusten geballt hat. Ihre Stimme wird schrill. »Ich will frei sein, um zu empfinden, was immer in meinem Herzen ist«, flüstert sie.
    Sie schaut zu Matthew auf. Die Dunkelheit im Raum löst sich allmählich auf. Sie sieht die Sanftheit in seinen Augen. Er tritt ans Bett und kniet sich hin. Er ergreift ihre Hand, nimmt ihre Finger in seine, seine andere Hand umschließt ihr Gelenk. »Isabella, das tut mir furchtbar leid. Wie hieß Ihr Kind?«
    »Daniel. Sein Name war Daniel.«
    »Es tut mir so leid, dass Sie Daniel verloren haben. Das ist ein großer Verlust für jeden Menschen, vor allem aber für eine Mutter. Ihr Herz muss schwerer sein als der Ozean.«
    Der Kummer drängt wie eine Faust in Isabellas Kehle. Niemand hat das je zu ihr gesagt. Man hat ihr erzählt, Daniel lächle vom Himmel auf sie herab; sie werde noch ein Kind bekommen, um ihn zu ersetzen; wenn sie sich sehr anstrenge, werde die Sonne wieder scheinen; sie werde ihre Freunde verlieren und ihre Familie verärgern, wenn sie die Traurigkeit nicht überwinde. Doch in den ganzen drei Jahren hat niemand einfach nur gesagt: Es tut mir so leid, dass du Daniel verloren hast. Meist wollten die anderen nicht einmal seinen Namen aussprechen. Als würde es die Sache verschlimmern, wenn man den Namen eines toten Kindes ausspricht. Fünfzehn Tage sind kaum ein Leben. Besser, ihn zu verlieren, bevor er ein richtiger Mensch mit einem Namen und einer Persönlichkeit wurde. Sie weiß, dass die anderen so denken. Sie weiß, dass sie glauben, sie sei maßlos in ihrer Trauer und weigere sich, nach vorn zu blicken.
    Matthew denkt das nicht.
    Er steht auf und tritt beiseite, und sie spürt den warmen Druck, den er auf ihrer Haut hinterlassen hat. Er steht wieder am Fenster und schaut aufs Meer hinaus. Die

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