Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
Sie steht auf, beugt sich vor und umarmt Katarina. Katarina klammert sich an sie und schluchzt nur noch lauter.
»Ganz ruhig.«
»Ich hasse ihn.«
»Ich weiß, ich weiß.«
»Wie soll ich so weiterleben?«
»Das werden Sie. Ganz ruhig.« Isabella richtet sich auf. »Trinken Sie Ihren Tee. Dann geht es Ihnen besser.«
»Nichts wird sich jemals ändern.«
»Trinken Sie Ihren Tee.« Isabella setzt sich wieder.
»Sie sind seltsam, Mary«, erwidert Katarina schließlich und greift nach ihrer Tasse.
Schweigend trinken sie ihren Tee. Dann sagt Katarina: »Er wird nachher betrunken nach Hause kommen. Keine Sorge, er ist ein fröhlicher Trinker. Halte die Kinderzimmertür geschlossen, damit Xavier ihn nicht hört.« Dann steht sie auf und kehrt ohne ein weiteres Wort ins Schlafzimmer zurück.
Isabella trinkt ihren Tee aus, leert die Kanne und spült die Tassen. Sie ist nicht müde, daher öffnet sie die Hintertür und setzt sich oben auf die Treppe. Die Nacht riecht weich und frisch; die Brise spielt mit ihrem Haar. Der Leuchtturm ist zum Leben erwacht, und sie denkt an Matthew. Ist er ebenso zornig wie andere Männer? Würde er eine Frau jemals ansehen, als wolle er ihr die Knochen brechen? Wäre er jemals herablassend, kalt oder grausam? Sie kann es sich nicht vorstellen, doch vielleicht ist sie töricht. Vielleicht machen Frauen Männer wild, weil sie Beachtung fordern. Vielleicht kann man nur mit einem Mann zusammenleben, wenn man das nicht tut. So wie die Frau von Percy Winterbourne, die so selbstverständlich Söhne wirft, wie andere Frauen Scones backen. Isabella lässt den Kopf auf die Knie sinken. Nein, Matthew ist nicht wie andere Männer. Das spürt sie tief in ihrem Inneren. Sie hofft, dass sie ihn bald wiedersieht.
Am nächsten Morgen frühstückt Xavier glücklich seine Toaststreifen mit Tee, als Katarina in die Küche segelt und verkündet: »Mary, Xavier kann mit seinen Eltern im Esszimmer frühstücken.«
Sie wirkt kühl. Die Köchin ist unten in der Waschküche, also ergreift sie die Gelegenheit. »Geht es Ihnen besser?«
»Besser? Ich weiß nicht, wovon du sprichst.« Sie zieht Xavier vom Stuhl und aus der Küche, er wehrt sich nicht. »Sorge dafür, dass er jeden Morgen bereit ist, um mit seinen Eltern im Esszimmer zu frühstücken«, sagt sie über die Schulter gewandt. »Familie und Dienstboten sollten nicht miteinander verkehren.«
Isabella spürt deutlich die Zurechtweisung.
Vierzehn
M atthew bekommt ein schlechtes Gewissen, als er den Einspänner von Clovis McCarthy vor dem Exchange Hotel in der Shore Road entdeckt. Er hat sich verspätet. Um sich heute Nachmittag mit Clovis zu treffen, hätte er zwischen zehn und drei Uhr schlafen müssen, war aber zu angespannt. Und als er endlich einschlummerte, schlief er zu tief und zu lange. Er war eine halbe Stunde zu spät aufgewacht, hatte sich schlaftrunken aufgerappelt, schnell angezogen und war zur Kneipe gelaufen, wobei er einen hoffnungsvollen Blick auf das Haus der Fullbrights geworfen hatte.
Er öffnet die grüngestrichene Tür mit der Glasscheibe, worauf ihm der Geruch von Holztäfelung, Bier und Tabakrauch entgegenschlägt. Er schaut sich in dem dämmrigen Raum um. Ernest Fullbright steht mit Abel Barrett, dem Zuckerfabrikanten, an der Theke. Die beiden sind enge Freunde. In der hintersten Ecke, unter dem Porträt der Königin, sitzt eine lärmende Gruppe von fünf Wanderarbeitern, die schmutzige Mützen und Stiefel mit Bindfaden statt Schnürsenkeln tragen. Hinter der Theke trocknet die hübsche Eunice Hand Gläser mit einem Tuch ab, das an ihrem Rockbund befestigt ist. Eunice hat schon immer für Matthew geschwärmt und wäre ihm eine gute Frau geworden, doch trotz ihres guten Herzens findet er sie ein bisschen dümmlich; Clara hat ihn für alle anderen Frauen verdorben. Clovis sitzt am Fenster, zwei große Gläser Bier warten schon.
Matthew tritt lächelnd näher. Clovis steht auf, steif in den Gelenken, er ist ein alter Mann geworden, seit Matthew ihn vor drei Jahren zuletzt gesehen hat.
»Alter Freund«, sagt Clovis.
»Ich bin spät dran.«
»Ich habe alle Zeit der Welt.« Clovis war sechzehn Jahre lang Leuchtturmwärter in Cape Franklin. Jetzt ist er auf dem Weg nach Süden, nach Brisbane, in den Ruhestand.
Nach einem festen Handschlag setzt sich Matthew und trinkt von seinem Bier, während Clovis den Gehstock an die Wand lehnt und ebenfalls Platz nimmt.
»Die Treppe hat mich geschafft, Seaward.«
»Wie ist der
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