Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
spricht leise mit ihm. Er rührt sich, wird aber nicht wach. Sie ist geradezu lächerlich glücklich.
Dann hört sie ein lautes Geräusch von unten – eine Tür? – und denkt an Katarina. Sie wird wissen wollen, dass es Xavier wieder gutgeht. Isabella beschließt, nachzusehen, ob Katarina selbst oder die Köchin da ist. Wenn sie keine der beiden Frauen antrifft, wird sie die Nachricht für sich behalten und sich umso besser fühlen, weil sie die Einzige ist, die davon weiß.
Sie nimmt eine Laterne und steigt die Hintertreppe hinunter. Das Gras ist nass nach dem Regen, die Luft kühl. Ein rauher Wind zerrt an den Ästen der hohen Eukalyptusbäume, sie rauschen, als wollten sie mit der Meeresbrandung wetteifern. Sie geht in die Waschküche und bleibt stehen, horcht. Nichts … nichts …
Dann doch etwas. Eine Frauenstimme. Leise und sanft. Isabellas Haut kribbelt. Ist es die Köchin oder Katarina? Es klingt, als hätte sie Schmerzen.
Isabella drückt sich in den dunklen Bereich unter dem Haus und erkennt, dass das Geräusch aus dem verbotenen Zimmer kommt. Gleichzeitig wird ihr klar, dass die Frau keine Schmerzen hat. Sie empfindet Lust.
Die Zigarrenstummel vor dem Fenster. Ernest in Brisbane.
Die Teile fügen sich zusammen, und sie erkennt, dass sie umkehren und ins Kinderzimmer gehen und alles vergessen muss. Das ist so bei Dienstboten. Doch Isabella ist keine Dienstbotin. Isabella ist eine Frau wie Katarina, und sie vermutet, dass diese keine gute Mutter ist. Besser gesagt: Isabella hofft , dass Katarina keine gute Mutter ist, denn dann wären ihre Phantasien gerechtfertigt.
Sie hat die Finger am Türgriff, bevor sie sie zurückziehen kann. Natürlich abgeschlossen. Aber sie hat noch den Schlüssel in der Schürzentasche. Isabella hört eine rauhe Männerstimme. Sie muss erfahren, wer es ist, welche lasterhaften Dinge in diesem verschlossenen Zimmer vorgehen. Sie muss es dringend erfahren, wenn sie Xavier beschützen will. Es ist ihr egal, ob sie ein Geräusch macht; ihr Herz schlägt so laut in ihren Ohren, dass sie nicht mehr die Stimme der Vernunft hört: Lass, es wird nichts Gutes dabei herauskommen.
Die Tür schwingt nach innen. Das Zimmer ist dämmrig, doch sie kann einen einzelnen Mann sehen, und es geht um nichts Schlimmeres als den ältesten Akt der Liebe auf dieser Welt.
Katarina stößt einen Laut aus, halb Schrei, halb Kreischen. Abel Barrett zieht sich die Decke zu spät über den Kopf. Isabella erstarrt; das Eis steigt von ihren Füßen durch die Adern hinauf zu den Knien, Oberschenkeln und noch höher, bis es schließlich ihr Herz und ihre Schultern und ihren Kopf erreicht hat. Katarina kreischt, sie solle raus, raus, rausgehen.
Isabella hat alles verloren. Sie hat Xavier verloren. Sie kann nicht mehr zurück ins stille Kinderzimmer, sich auf der Seite zusammenrollen und davon träumen, mit ihm in New York zu sein. Diese Phantasie zerfällt schneller, als sie begreifen kann. Katarina hat sich in ihr Kleid gewickelt, das sie vom Boden aufgehoben hat, und stößt Isabella weg, schreit, sie solle ihre Sachen packen und verschwinden.
Isabella kann sich nicht bewegen. Das passiert nicht wirklich. Die Realität wogt um sie herum.
Dann ist Abel da, hat sich wie der Wind angezogen, während sie nicht auf ihn geachtet hat. Er zerrt sie am Arm in den Garten.
»Du hast fünf Minuten, um deine Sachen zu packen und zu verschwinden. Sonst rufe ich die Polizei, ich bin mit dem Constable gut befreundet.«
Der Selbsterhaltungstrieb rüttelt sie auf. Sie rennt die Treppe hinauf ins Kinderzimmer, so laut, dass Xavier aufwacht. Sie nimmt ihn in die Arme und schluchzt. »Ich muss gehen. Ich finde dich. Sei nicht traurig. Ich kann alles gutmachen, bestimmt. Wir leben ja.« Sie merkt, dass sie Unsinn redet, und verstummt.
Katarina steht angezogen in der Tür. »Raus! Hände weg von meinem Jungen! Raus und komm nie wieder her!« Sie schlägt und boxt Isabella, lässt die Hiebe mit der ganzen Intensität ihrer Angst und ihres Zorns auf sie niederregnen.
Xavier krabbelt aus dem Bett und will nach Isabella greifen, doch Abel schreitet ein, klemmt sich das Kind unter den Arm und sagt, er solle still sein. Xavier beginnt zu schreien, dass es Isabella das Herz zerreißt. Weiße Hitze blitzt durch ihren Körper. Wenn sie könnte, würde sie beide töten und das Kind nehmen und …
Isabella reißt sich zusammen. Es wird leichter für Daniel sein, wenn sie einfach geht … Nein, nicht für Daniel. Es wird
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