Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
wenn ich Sie am Freitagabend um sechs abhole?«
»Klingt wunderbar.«
Sie bereute es, sobald sie aufgelegt hatte, aber es war zu spät. Die Zukunft begann. So musste es sein.
Libby fiel erst eine halbe Stunde vorher ein, dass Damien zum Essen kommen würde. Sie wühlte in Vorratskammer und Kühlschrank und fand zu ihrer Erleichterung die nötigen Zutaten für eine Pizza. Dann räumte sie das Haus auf, vor allem den Schreibtisch, an dem sie in den vergangenen vierundzwanzig Stunden fieberhaft an dem Katalog gearbeitet hatte, um sich abzulenken. Ihre letzte falsche Entscheidung lag zwanzig Jahre zurück und verfolgte sie bis heute. Wer konnte schon sagen, wie viele Jahrzehnte sie den Widerhall der Entscheidung spüren würde, vor der sie jetzt stand? Wenn sie das Geld nahm, würde sie es bereuen; nahm sie es nicht, würde sie es ebenfalls bereuen.
Libby war gerade im Bad und bürstete sich die Haare, als Damien klopfte. Sie öffnete und sah ihn mit einem Werkzeugkasten und einer Katze vor der Tür stehen.
»Das ist Bossy. Ich hoffe, du hast nichts dagegen.«
»Ich habe nichts dagegen, aber ich verstehe es auch nicht.« Die zart gebaute rötliche Katze glitt an ihren Knöcheln vorbei.
»Ich möchte sie nicht allein im Leuchtturm lassen. Es gibt zu viele Orte, an denen sie stecken bleiben oder sich verirren könnte.«
Libby bückte sich und kraulte die Katze unter dem Kinn. »Sie ist wunderschön. Hast du sie gerade erst bekommen?«
»Nein, Bossy ist schon seit Jahren bei mir. Es ist kompliziert, und ich möchte eigentlich nicht darüber sprechen. Nur so viel: Ich habe diese Woche endlich meine Katze, meinen Wagen und mein Werkzeug bekommen.« Er hob den Werkzeugkasten. »Du sagtest, du hättest Probleme mit deinem Wäscheschrank.«
»Kannst du ihn reparieren?«
»Ja, ich bin Tischler. Es ist das mindeste, was ich tun kann, wenn du mich schon zum Essen einlädst.«
»Oh, ich dachte …« Doch es hätte beleidigend geklungen, wenn sie gesagt hätte: Ich dachte, du hättest keinen Job. »Das wusste ich nicht.«
Er war schon im Flur und überprüfte die Türen des Wäscheschranks. Sie beobachtete ihn. Wo war die Katze gewesen? Und sein Auto und das Werkzeug? Er musste sie irgendwann diese Woche geholt haben, aber wieso? Sie hätte so gern danach gefragt, aber es war offenkundig, dass er es ihr nicht sagen würde.
Sie bereitete die Pizza zu, während er die Türen ausbaute, glatt schliff und wieder in die Scharniere setzte. Er ging sehr ungezwungen mit ihr um, was ihr guttat, und sie unterhielten sich über die Vergangenheit und Leute, die sie gekannt hatten. Als die Pizza im Ofen war, setzten sie sich nach draußen auf die zusammengewürfelten Gartenmöbel. Sie war versucht, ihm von dem Angebot von Ashley-Harris zu erzählen und was es möglicherweise für ihr Verhältnis zu Juliet bedeutete, doch er wäre gewiss keine große Hilfe gewesen. Er besaß kein Geld; er hatte nicht mal einen Job. Große Immobiliengeschäfte waren vermutlich nicht sein Ding.
Außerdem gab es andere Sachen, über die er mit ihr sprechen wollte. »Ich habe mir mal das Tagebuch des Leuchtturmwärters von 1901 angesehen.« Er holte es aus dem Werkzeugkasten. »Auf den letzten Seiten habe ich etwas Interessantes gefunden.«
Libby beugte sich vor. »Und?«
»Zuerst dachte ich, der Wärter – er hieß Matthew Seaward – wäre vielleicht Ausländer gewesen, da einige Sätze sehr merkwürdig klingen. So wie: ›Brachte für I frische Äpfel mit‹ oder ›I heute sehr traurig‹ . Aber dann wurde mir klar, dass es eine Initiale sein muss.« Er blätterte auf der Suche nach einem bestimmten Eintrag.
»Oh. Wie Isaac oder Ivan oder so?«
»Nein. Es geht um eine Frau. Denn es gibt einen Eintrag … da, ich habe ihn gefunden. ›I besorgt. Unsicher, was mit ihr los ist.‹ «
»War er verheiratet?«
»Laut den Unterlagen nicht. Ich habe seine Tagebücher seit 1895 durchgesehen, und es wird kein anderer Mensch erwähnt außer ›I‹. Der Buchstabe taucht erstmals nach dem Tagebucheintrag über die fremde Frau auf, den ich dir vorgelesen habe.«
»Und bleibt sie bis zum Ende bei ihm?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe noch nicht alle Bücher gefunden. Dieses hier endet im Juli 1901.«
Libby dachte nach. »Nur weil eine fremde Frau bei ihm auftaucht – die er wohlgemerkt in die Stadt schickt, um sich eine angemessene Unterkunft zu suchen –, heißt das noch lange nicht, dass es dieselbe Frau ist, über die er später im Tagebuch
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