Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
keine Antwort von Is Schwester.
Es hörte sich an, als hätte Matthew Seaward sich sehr mit der geheimnisvollen Frau und ihrer Schwester beschäftigt. Ein Stück weiter erregte ein längerer Eintrag ihre Aufmerksamkeit. I hat nichts von ihrer Schwester gehört. Wäre am besten für I, wenn wir sie bald fänden. Braucht eigene Familie, die sie liebt und leitet.
Libby las die Zeilen wieder und wieder. Die geheimnisvolle Frau – möglicherweise die Überlebende eines Schiffsunglücks – hatte versucht, ihre Schwester zu finden. Ihre Phantasie spielte mit dem Gedanken, während Bossy neben ihr schlief, der Regen schwächer wurde und sich verzog. Unter den schlimmsten Umständen hatte diese Frau eine Schwester gebraucht, die »sie liebte und leitete«. In Libbys Welt gab es eine solche Beziehung nicht, schon gar nicht zu ihrer Schwester. Und es würde sie auch niemals geben. Seit sie erwachsen war, hatte nur Mark sie geliebt und geleitet. Der Ehemann einer anderen Frau.
Bossy stand auf und streckte sich, sprang leichtfüßig vom Bett und tappte davon, vermutlich auf der Suche nach nächtlichen Abenteuern. Es war schon spät. Libby legte das Tagebuch beiseite und schaltete das Licht aus, lag aber noch lange wach.
Am Freitag war Libby ungeheuer produktiv. Sie buchte einen Fotografen für den Katalog, überarbeitete drei Entwürfe, die sie Emily vorlegen wollte, und widmete sich ihrem Gemälde der Aurora . Hauptsache, sie war beschäftigt.
Sie könnte reich werden. Juliet würde sie auf ewig hassen. Zweieinhalb Millionen Dollar. Dreißig Tage Bedenkzeit.
Die Entscheidung würde ihr ganzes weiteres Leben beeinflussen. Während sie am Katalog arbeitete, dachte sie, dass sie sich keine Sorgen mehr um neue Klienten machen müsste. Während sie malte, stellte sie sich vor, dass sie das mindestens ein Jahr lang rund um die Uhr tun könnte. Während sie im Internet nach Fotografen suchte, rief sie eine französische Immobilienseite auf und schaute sich Luxusapartments in Paris an. Sie vermisste Paris, das Tempo, den Esprit. Und als Juliet anrief, um zu fragen, ob sie am Wochenende zum Essen käme, musste sie ablehnen, weil sie ihr nicht in die Augen sehen konnte, bevor die Entscheidung gefallen war.
Libby vermutete, dass Juliets Angst vor Ashley-Harris unbegründet war; ihre Öko-Ferienanlage wäre keine Konkurrenz. Niemand bezahlte neunhundert Dollar pro Nacht für ein Zimmer mit Frühstück. Es war eine völlig andere Branche.
Dann wieder kam es ihr vor, als stellte sie die ganzen Überlegungen nur an, um sich vor sich selbst zu rechtfertigen, falls sie sich für das Geld und gegen die Familie entschied.
Am schlimmsten waren die Nächte. Gewöhnlich konnte sie einschlafen, nachdem sie sich in ihrer Phantasie ein lichtdurchflutetes Zimmer in ihrer Traumwohnung in Montparnasse ausgemalt hatte, doch um drei Uhr morgens riss sie ihr Dilemma aus dem Schlaf, und sie lag bis zum Morgen wach. Inzwischen waren es nur noch dreiundzwanzig Tage.
Libby lief in High Heels und Bleistiftrock im Wohnzimmer auf und ab, als sie den Audi vor dem Haus hörte. Sie wartete, bis Tristan klopfte, holte tief Luft und öffnete die Tür.
»Hi.«
»Sie sehen sehr schön aus.« Er trug einen dunkelgrauen Blazer und Jeans und roch nach einem teuren Aftershave.
Ihr Herz hämmerte. Ein Rendezvous. Sie hatte ein Rendezvous.
Bossy kam durch den Flur und erstarrte, als sie Tristan sah.
»Was ist los, Bossy?«
Tristan kniete sich hin und rieb die Finger aneinander, um die Katze anzulocken, doch diese sauste an ihm vorbei und sprang auf die Couch.
»Gewöhnlich mögen mich Katzen.«
»Keine Sorge«, sagte sie lachend. »Ich würde mir nichts dabei denken.«
Tristan stand auf. »Sind Sie fertig? Ich bin ziemlich ungeduldig, weil ich Ihnen etwas ganz Besonderes zeigen möchte.«
»Tschüss, Bossy.« Sie schloss die Tür hinter sich ab und folgte ihm zum Wagen. Nachdem sie sich angeschnallt hatte, ließ er den Motor an und fuhr zum Leuchtturm hinauf, parkte auf dem Kiesbett neben der Straße und schaltete den Motor aus.
»Wir sind da.«
Sie lächelte neugierig. »Hier?«
Er stieg aus und hielt ihr die Tür auf. Dann öffnete er den Kofferraum und holte zwei Klappstühle und einen Picknickkorb heraus. »Ich wollte Sie mit tollem Essen, einer tollen Umgebung und einer tollen Aussicht beeindrucken.« Er stellte den Picknickkorb ab, klappte die Stühle auseinander und machte eine einladende Geste. »Mylady.«
Sie grinste. »Vielen Dank, Sir.«
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