Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
Sie imitierte Marks vornehmen englischen Akzent. »Und was dinieren wir heute Abend?«
Tristan öffnete den Picknickkorb und holte eine Plastikdecke heraus, die er auf der Motorhaube des Audi ausbreitete. Dann folgten eine weiße Papiertüte mit Fish and Chips, eine Flasche Champagner und zwei Champagnergläser aus Plastik. »Nur das Beste. Aus dem Dorf.«
»Dem Salty Sealion?«
Er goss ihr Champagner ein. »Ja. Die besten Fish and Chips an der Sunshine Coast.«
Sie stießen mit den Plastikgläsern an.
»Auf die schönste Aussicht der Welt«, sagte Tristan.
Libby schaute sich um. Das Meer lag graublau in der Dämmerung. Nebel verschleierte die Landzunge im Süden. Der Himmel war von einem weichen Blau und Purpur. »Sie könnten recht haben«, erwiderte sie leise. Dann blickte sie zum Leuchtturm hinauf. Kein Kerzenlicht im Fenster.
»Wo wohnen Sie?« Sie war neugierig geworden.
»Ich habe eine Wohnung in Noosa und ein Landhaus in den Bergen hinter Sydney. Da komme ich im Augenblick aber nicht oft hin.«
»Haben wir Besteck?« Sie suchte in der Papiertüte.
»In der Nähe meines Audi? Wohl kaum. Schmeckt ohnehin besser, wenn man mit den Fingern isst.«
Libby brach ein Stück panierten Fisch ab und steckte es in den Mund. Göttlich. Mark hatte nie mit ihr auf der Motorhaube seines Autos Fish and Chips gegessen. Eine Zeitlang vergaß sie ihre Probleme, weil ihr der Champagner perlend zu Kopf stieg und die neue Umgebung sie ablenkte. Sie plauderten zwanglos über Arbeit und Wetter, ihre Vergangenheit und Zukunft.
Dann klingelte ihr Handy. Libby holte es aus der Tasche und las »Juliet« auf dem Bildschirm.
Sie hatte schon zwei Anrufe weggedrückt und ein schlechtes Gewissen dabei, es noch einmal zu tun, doch sie stellte das Telefon auf stumm und schob es wieder in die Tasche.
»Jemand Wichtiges?«
»Meine Schwester.«
»Ah. Juliet.«
»Ja.«
»Sie runzeln die Stirn.«
»Ich habe eine wichtige Entscheidung vor mir.«
»Ich weiß. Es tut mir leid, aber wir können nicht darüber sprechen.«
»Wirklich nicht? Ich habe sonst niemanden.«
»Libby, aus ebendiesem Grund habe ich Yann das Projekt übergeben. Meine geschäftlichen und Ihre persönlichen Entscheidungen müssen streng voneinander getrennt sein. Ich weiß, dass Sie in einem Dilemma stecken, aber ich kann Ihnen dabei nicht helfen.«
»Es ist nur deshalb ein Dilemma, weil Juliet fälschlicherweise annehmen wird, sie würde durch den Verkauf ihr Geschäft verlieren.«
Er machte eine Bewegung, als würde er seine Lippen mit einem Reißverschluss verschließen, und schüttelte den Kopf.
Libby seufzte, füllte ihr Champagnerglas nach und ließ sich auf dem Stuhl zurücksinken.
»Ich sage nur, dass Sie Glück haben, überhaupt vor einer solchen Entscheidung zu stehen«, meinte er sanft. »Sie haben wunderbare finanzielle Möglichkeiten und eine familiäre Bindung, die Ihnen viel bedeutet. Andere Leute haben weder das eine noch das andere.«
Sie wollte ihm weitere Fragen stellen, schluckte sie aber hinunter. Er hatte recht. Sie war auf sich allein gestellt.
Am Meer wurde es gegen zehn Uhr kühl, und sie hatte keine Jacke dabei. Er setzte sie zu Hause ab und brachte sie noch bis zur Haustür. Sie wusste nicht, ob sie ihn hereinbitten sollte. In ihrer Champagnerlaune fand sie ihn ungeheuer attraktiv, doch der Verstand riet ihr, lieber abzuwarten, bis sie ihn näher kannte.
Tristan nahm ihr die Entscheidung ab. »Ich fahre besser. Meine Maschine geht sehr früh.«
»Wieder eine Geschäftsreise?«
»Zwei Wochen in Perth.«
Zwei Wochen? Sie war enttäuscht, zwang sich aber zu lächeln. »Klingt spannend.«
»Darf ich Sie anrufen?«
»Natürlich.« Bei seiner Rückkehr wären es nur noch neun Tage, bis sie sich entschieden haben musste. »Sehr gern.«
Er umfing ihre Wange leicht mit der rechten Hand und streichelte mit dem Daumen über ihr Kinn. Ihr Herzschlag übertönte alle anderen Geräusche. Dann beugte er sich vor und küsste sie sanft auf den Mund. Ihr Körper reagierte, indem er sich an ihn drückte. Seine Zunge stahl sich zwischen ihre Lippen.
Es war ein seltsames Gefühl, nach all den Jahren jemand Neues zu küssen. Vertraut und doch anders. Sie konnte sich nicht in dem Augenblick verlieren, weil sie sich selbst von außen dabei beobachtete, wie sie einen anderen Mann als Mark küsste.
Dann ertönte ein Motorengeräusch.
Libby löste sich von Tristan. Waren das die Männer, die sich an ihrem Cottage herumgetrieben hatten? Nein, es
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