Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
anderen. Sie öffnete die Augen und sah Alan, der ihr seinen Ersatzregler an die Lippen hielt. Sie atmete gierig und ließ sich langsam von ihm an die Oberfläche ziehen. Sie war dankbar, so dankbar, als sie auftauchte und endlich richtige Luft atmen konnte. Alan rief seinem Vater etwas zu, der sie wie einen rekordverdächtigen Fang ins Boot hievte. Er nahm ihr die Maske ab, und sie blinzelte das Wasser aus den Augen. Die Sonne schien blendend hell.
»Alles klar mit Ihnen?«
»Ich denke schon. Was ist passiert?«
»Alan sagt, Ihr Regler habe nicht funktioniert.«
»Mein … was …?«
»Keine Sorge, alles in Ordnung. Müssen Sie ins Krankenhaus?«
»Ich … nein, mir geht es gut.« Libby setzte sich auf. »Es war vor allem die Panik.« Sie schluckte schwer. »Ich bin vor Jahren fast ertrunken. Das kam alles wieder hoch.«
Graeme schaute blinzelnd in die Ferne, als fürchtete er, beobachtet zu werden. »Jaja. Ich verstehe. Nun. Wir wollen nicht … so, ich werde Ihnen das heute nicht berechnen. Sie brauchen es ja niemandem zu erzählen.«
Sie begriff, dass er Angst hatte, sie könnte ihn wegen der fehlerhaften Ausrüstung anzeigen. Und weil er sie ohne Ausbildung hatte tauchen lassen. Sie schüttelte den Kopf. »Das will ich nicht. Keine Sorge. Das ist so ziemlich das Letzte, was mich jetzt beschäftigt.«
Er bemutterte sie noch ein bisschen, bis das andere Paar auftauchte, und steuerte das Boot zurück ans Ufer. Libby schaute wieder aufs Wasser, doch ohne die Leichtigkeit im Herzen, die sie auf der Hinfahrt gespürt hatte. Alles erschien ihr zu hell; überbelichtet und grell. Der heutige Tag hatte alles wieder aufgewühlt: warum sie nie hierher zurückkehren wollte, warum Juliet ihr nie verziehen hatte. Vor zwanzig Jahren hatte sie etwas Schreckliches getan, dem sie nie entfliehen konnte.
Juliet saß an einem Tisch in der Teestube, vor sich einen Haufen Rechnungen. Es war spät am Nachmittag, kurz nach Ladenschluss. Normalerweise erledigte sie so etwas oben am Schreibtisch, aber Damien war noch damit beschäftigt, die Küchenschränke auszumessen. Dann klopfte es an die Tür, und als sie aufblickte, sah sie das ältere Ehepaar, das in Zimmer 1 gewohnt hatte.
Juliet schloss die Tür auf, und die beiden gaben ihr den Zimmerschlüssel.
»Gute Heimfahrt.«
»Danke, dass wir so spät auschecken konnten«, sagte der Mann. »Das war wirklich nett von Ihnen.«
»Kein Problem. Es wird allmählich ruhiger, das Zimmer ist ohnehin nicht weitervermietet.« Sie hörte einen Rums aus der Küche und fragte sich, was Damien dort trieb.
Der ältere Mann stieß seine Frau an, die eine Flasche Rotwein aus ihrem Korb holte.
»Die ist für Sie. Es war sehr schön bei Ihnen, und das Frühstück war ein Genuss.«
Juliet strahlte. »Oh, vielen Dank.« Sie klemmte sich die Flasche unter den Arm und gab den beiden die Hand. Dann verabschiedeten sie sich, und sie schloss die Tür wieder ab, stellte die Flasche auf den Tisch und ging in die Küche.
»Alles in Ordnung mit dir?«
Damien hockte auf dem Boden, den Kopf in einem Schrank. Als sie hereinkam, blickte er auf. »Ja, tut mir leid. Ich habe eine Schublade fallen lassen. Sie ist jetzt wieder an Ort und Stelle.« Er stellte sich hin und streckte sein Bein aus. »Sie ist allerdings auf meinem Fuß gelandet.«
»Autsch. Brauchst du Eis?«
»Geht schon.«
Sie beugte sich vor und schaute sich den Fuß genauer an. Eine rote Schwellung war zu sehen. »Nein, das muss gekühlt werden. Und du brauchst Arbeitsschuhe, keine Flip-Flops.«
»Habe ich doch. Aber …«
»Ich weiß, es ist kompliziert. Das hast du schon ein paarmal gesagt.«
»Ich wollte nicht geheimnisvoll klingen.« Er schaute sich um. »Mit dem Ausmessen bin ich fertig. Sollen wir jetzt mal über meine Ideen sprechen?«
Juliet zögerte, schluckte dann und warf alle Vorsicht über Bord. »Ich habe eine Flasche Wein geschenkt bekommen. Sollen wir sie aufmachen?«
Er lächelte. »Das wäre toll.«
Sie holte eine Tüte Tiefkühlerbsen für seinen Fuß, und dann setzten sie sich im sanften Lampenlicht in die Teestube und tranken den Wein aus Tassen. Sie hatte die Seitenfenster geöffnet, damit man das Meer hören konnte. Bei der ersten Tasse sprachen sie über seine Ideen für die Küche, bei der zweiten darüber, wie sie die letzten fünfzehn Jahre das Geschäft geführt hatte. Bei der dritten Tasse gewann ihre Neugier die Oberhand.
»Du solltest mir besser erzählen, was los ist. Warum du keinen Zugang zu
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