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Das Haus am Nonnengraben

Titel: Das Haus am Nonnengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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sehr geliebt. Und mir hat sie geschrieben bis zu ihrem Tod.«
    Hanna nippte an ihrem Kirschlikör, der gar nicht einmal so schlecht schmeckte, betrachtete Kürtchens ordentlich gelegte weiße Haare im sanften Schein der Pergamentlampe und dachte über dieses seltsame Verhältnis distanzierter Nähe zwischen dem alt gewordenen Dienstmädchen und seiner »gnädigen Frau« nach.
    »Ein Glück, dass sie den ganzen Schlamassel nimmer erlebt hat. Sie war doch so stolz auf ihre Enkel und dass sie sich so gut vertragen und alles miteinander gemacht haben.«
    »Welchen Schlamassel?«, fragte Hanna.
    »Na, wo doch der Arthur der Karla das Haus verboten hat, und das auch noch an Weihnachten. Es war schrecklich. Und danach ist die Karla nie mehr heimgekommen, obwohl es dem Arthur fast das Herz gebrochen hat.«
    »Aber warum hat er ihr denn das Haus verboten? Ich denke, er hat seine Schwester geliebt?«
    »Na ja, das war so … wie erzähl ich das denn bloß … Genau das war es, was die Elfi net ertragen hat, dass er seine Schwester lieb gehabt hat. Die Elfi hatte sich den schicken, reichen jungen Mann geangelt. Aber mein Arthur hat auch andere Seiten gehabt. Er war sehr verletzlich, ja, das war er. Das Zarte hat er von seinem Vater geerbt. Er hat auch Gedichte geschrieben. Die hat er niemandem gezeigt, aber ich hab sie beim Aufräumen gesehen und auch die traurigen Bilder, die er manchmal gemalt hat. Darüber konnt er nur mit der Karla reden. Und das hat die Elfi fuchsteufelswild gemacht. Weil sie eifersüchtig war. Weil das eine Welt war, von der sie überhaupt nix verstanden hat, wo sie völlig ausgeschlossen war. Sie hätt zu gern mitgemacht, aber dazu war sie zu primitiv. Und der Arthur und die Karla wollten sie auch net dabeihaben. Sie sind ohne sie ins Theater gegangen, zu den Symphonikern und solche Dinge. Ach, wenn doch bloß net gerade damals ihr Vater gestorben wär. Das hat meinen Arthur so durcheinandergebracht. Er war im Grunde wesentlich weniger stabil wie die Karla.«
    Das Spitzentaschentuch trat wieder in Aktion. Kürtchen räusperte sich und schluckte. Und fuhr dann mit belegter Stimme fort: »Elfi hat gemerkt, wie sehr der Arthur nach dem Tod von seinem Vater Trost gebraucht hat. Das ist der Elfi ihre Chance gewesen. So was konnte sie gut. So haben sie halt geheiratet. Und die Karla, ach Gott …« Kürtchen presste sich das Taschentuch an den Mund.
    »Die Karla war doch so stolz«, sagte sie mit einem Schluchzer. »Das war ihr großer Fehler. Sie war net wie der Arthur, der jedem gefallen wollt und immer drum zu bitten schien, dass man ihn nett findet. Die Karla war wie eine Fürstin, für die das Beste grade gut genug war. Und das Beste, das war ihr Bruder. Und dann das. Eine Affäre hätt sie ihm verziehen, aber diese Heirat! Eine Elfi Patzik in ihrer Familie! Sie war wie versteinert damals, hat nur noch das Allernötigste gesprochen. Und dann ist sie fortgegangen. Nach München und hat dort weiterstudiert. Aber sie ist doch wenigstens noch hin und wieder nach Haus gekommen. Die Elfi hat immer gestichelt und war gemein zu ihr, und die Karla hat so getan, als würde es ihr nix ausmachen. Hat es aber doch. Und der Arthur hat sich vorgespielt, dass alles in Ordnung ist und er mit beiden Frauen klarkommt.« Kürtchen schloss die Augen und schüttelte den Kopf.
    Hanna schenkte den dritten Kirschlikör ein. Sie gewöhnte sich schon fast daran. Der Kuckuck fuhr aus seinem Gehäuse, sperrte den Schnabel auf, zeigte seine spitze rote Zunge und kuckuckte zehnmal.
    Kürtchen trank einen winzigen Schluck und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Als die Karla an Weihnachten nach Haus gekommen ist, hat man gesehen, dass sie schwanger war. Aber sie hat net rausgelassen, wer der Vater war. Der Arthur war entsetzt. Er war schon immer sehr moralisch gewesen, auch wenn er mit vielen Mädchen so ein bisschen rumgetändelt hat. Das war ja wahrscheinlich auch der Grund, warum er die Elfi geheiratet hat. Aber dass sie ihm, ihrem Bruder, den Namen von dem Kindsvater net verraten hat, des hat ihn vollends rasend gemacht. Wahrscheinlich ist da viel zusammengekommen. Jedenfalls hat’s einen entsetzlichen Krach gegeben, unterm Weihnachtsbaum. Ich stand im Gang und hab jedes Wort gehört, so laut haben sie gestritten. Es war das erste Mal, dass die zwei einen richtigen echten Streit gehabt haben. Irgendwann schrie der Arthur, wenn sie so wenig Vertrauen zu ihm hätt, bräucht sie auch nimmer in sein Haus zu kommen. Dann war es

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