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Das Haus am Nonnengraben

Titel: Das Haus am Nonnengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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Konditor ist berühmt für seine Torten.«
    Was sollte sie nur machen? Sie konnte diese Kuchengabel einfach nicht in den Mund nehmen. Und wenn es noch so unhöflich war: Sie ging zur Spüle und wusch sie ab, kratzte mit den Fingernägeln so lange, bis alle alten Reste entfernt waren. Und selbst danach noch kostete es sie Überwindung, sie zu benutzen.
    Doch er schien, verfangen in Erinnerungen, ihre Aktion nicht einmal zu bemerken. Er wiegte betrübt seinen Greisenkopf, und seine Augen wurden noch etwas röter und wässriger. »Dass Arthur sich damals von Elfi einfangen ließ, das hat uns alle gewundert. Er war der begehrteste junge Mann weit und breit. Und ausgerechnet Elfi! Dabei war die ein Flüchtling. So eine von denen aus dem Osten, die sich überall reindrängelten und den Einheimischen die Butter vom Brot nahmen.«
    »Wieso? Was taten die Flüchtlinge denn?«
    »Ach, junge Frau. Sie haben ja keine Ahnung. Keiner, der es nicht miterlebt hat, kann sich vorstellen, was damals nach dem Krieg in Bamberg los war. So viele Fremde in der Stadt! Die war voll bis über den Kragenrand. Weil sie nicht ganz so zerstört war wie die Städte in der Nachbarschaft. Bis 1944 war Bamberg ja verschont geblieben. Die Leute sagten: ›Hier passiert schon nix‹, weil sie glaubten, die heilige Kunigunde hätte ihren Schleier über die Stadt gezogen. Die Narren! Wenn die Flieger kamen, gingen sie statt in den Keller aufs Dach, um zu schauen, wo die Flugzeuge hinflogen.«
    »Tatsächlich?«
    »Sie können sich denken, dass sich das blitzschnell änderte, als Anfang ’45 die ersten Bomben fielen. Da hockten sie dann alle in den Kellern, unterm Stephansberg, unterm Jakobsberg und sonst wo. Am Schluss war auch bei uns eine Menge kaputt, am Grünen Markt und am Bahnhof und in der Geisfelder Straße. Na ja, und dann sind die Amis einmarschiert und haben die schönsten Häuser beschlagnahmt. Die Herren ›Befreier‹«, in Herrn Dechants Mundwinkel bildete sich ein höhnisches Bläschen, »haben sich ganz schön aufgespielt.«
    »Sie wollten eigentlich etwas über die Flüchtlinge erzählen.«
    »Tja, das war … ganz mulmig wurde einem da. Die kamen Tag für Tag, Hunderte, Tausende. Und alle musste man unterbringen, irgendwie. Da hat man dann das große Kaufhaus Tietz hergenommen, am Grünen Markt, und hat die Menschen da hineingestopft. Bis zu viertausend Leute quetschten sich da manchmal, und es gab vielleicht zehn oder zwanzig Toiletten. Sie können sich vorstellen, was da los war. Im Herbst ist dann Typhus ausgebrochen, da haben die Amis Soldaten rund um das Haus postiert, damit keiner mehr rauskonnte, außer ihren Liebchen natürlich. Was damals ablief, Sodom und Gomorrha, kann ich Ihnen sagen. Geschlechtskrankheiten waren eine richtige Volksseuche.« Herr Dechant schüttelte empört den Kopf.
    »Aber was hat das mit Elfi Roth …«
    Doch der alte Herr ließ sich nicht unterbrechen. »Sie wollten doch was über die Flüchtlinge wissen, oder? Also, die haben sie dann auf die Wohnungen verteilt. Irgendein lieber Nachbar hat natürlich auch meine Eltern verpfiffen beim Bürgerkomitee – das waren welche, die vorher immer gegen alles waren und deswegen jetzt groß rauskamen und bei den Amis lieb Kind waren. Der Nachbar hat verraten, dass wir mehr Zimmer hatten als angegeben. Da musste ich mein Zimmer räumen, und sie haben uns eine Familie reingesetzt ins Haus. Sechs Leute. Nach kurzer Zeit war das Klo verstopft, und in unserer Küche haben sie Kohl gekocht, immer nur Kohl, das hat vielleicht gestunken.«
    »Vielleicht hatten sie nichts anderes?«, wandte Hanna ein.
    »Gestunken hat es trotzdem! Und alle haben sie immer erzählt, wie toll es da war im Osten. Alle waren sie plötzlich Grafen und Barone und Großgrundbesitzer gewesen. Konnte ja keiner nachweisen. Und jetzt kommen sie wieder, noch weiter aus dem Osten, aus der Ukraine, aus Kasachstan – Deutsche angeblich, die kein Wort Deutsch können. Unsere Politiker müssten einmal mit der U-Bahn fahren, dann wüssten sie, was los ist. Man ist ja schon froh, wenn man mal ein deutsches Wort hört.«
    Hanna konnte es kaum ertragen. Doch sie hatte das Gefühl, dass eine Diskussion mit dem alten Mann keinen Sinn hatte – so festgebackene Mauern konnte man nicht mehr zum Einsturz bringen, jedenfalls nicht in einem Gespräch am nachmittäglichen Kaffeetisch. Sie wollte lieber diese unvermutete Informationsquelle zu den Rothammers noch etwas anzapfen.
    »Haben Sie auch Karla Rothammer

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