Das Haus am Nonnengraben
gekannt?«
»Wieso wissen Sie eigentlich so gut über die Familie Bescheid? Das brauchen Sie doch nicht für dieses Keller-Dingsbums, von dem Sie mir erzählt haben.«
»Da haben Sie recht. Aber ich habe auch einen Artikel für die Zeitung über das Haus am Nonnengraben geschrieben, über seine Geschichte, seine Bewohner und Ähnliches. Meine Tante, Kunigunde Buchner, hat mir schon einiges erzählt.«
»Kunigunde Buchner? Ach, Moment mal, Sie heißen Tal, nicht wahr? Kunigunde Tal, natürlich. Es Kunnerla! Die Mutter der Kompanie. Grüßen Sie sie von mir.«
»Ja, mache ich. Karla Schneider ist heuer gestorben, nicht wahr?«
»Ja.«
»War Elfi Rothammer auf der Beerdigung?«
»Elfi? Elfi doch nicht. Sie und Karla haben sich gehasst wie die Pest. Wieso interessiert Sie, ob Elfi auf Karlas Beerdigung war?«
»Ach, nur so. Weil ich mich mit dem Haus beschäftigt habe und …«
»Hm.« Herr Dechant wirkte nicht ganz überzeugt, forschte aber nicht weiter nach.
»Und Sie haben auch Tennis gespielt?«, fragte Hanna.
»Ja, ich spiele noch immer manchmal. Und bis vor zehn Jahren habe ich noch Senioren 1 gespielt.«
»Alle Achtung!«
Hannas mattes Lob gab Herrn Dechant Auftrieb. »Na ja, gelernt ist gelernt. Auch wenn die Beine manchmal nicht mehr so recht wollen.« Er lächelte in sich hinein, als wüsste er etwas, was jüngeren Leuten wie Hanna verborgen war. Er setzte zu einer weiteren Erzählung an, aber Hanna sagte schnell: »Aber jetzt muss ich wirklich gehen. Nochmals vielen Dank, dass ich die Unterlagen einsehen durfte und für Kaffee und Kuchen.«
»Aber Sie haben doch fast nichts gegessen. Was soll ich denn nur mit dem ganzen Kuchen machen? Essen Sie doch noch ein Stück!«
»Es tut mir leid, aber ich kann wirklich nicht mehr. Und ich bin sowieso schon zu spät dran.«
Sie atmete auf, als sie das Haus verließ. Was für ein spießiger Kleingeist, dieser Herr Dechant. Gott sei Dank, dass sie das hinter sich hatte. Damit hatte sie ihn auch schon vergessen. Sie konzentrierte ihre Aufmerksamkeit auf den bevorstehenden Abend.
»Champagner und Wachtelbrüstchen«, hatte Joschi Schneider gesagt. Das klang nach etwas Elegantem. Da konnte sie unmöglich in Jeans erscheinen. Und auch die anderen Kleidungsstücke, die sie heute früh eilig in ihr Köfferchen gepackt hatte, hatte sie für einen Wandertag ausgewählt; sie passten keinesfalls zu Champagner und Wachtelbrüstchen. Was sollte sie tun? Es war jetzt kurz nach fünf. Sie hatte also noch Zeit für ein bisschen Shopping. Die Pension, wo sie ein Zimmer reserviert hatte, lag gleich um die Ecke. Dort konnte sie ihr Auto stehen lassen, und mit der U-Bahn war sie dann in zwei Minuten am Marienplatz.
Energisch widmete sie sich der angenehm-grässlichen Aufgabe, ein neues Kleid zu kaufen. Es sollte aufregend sein und unaufdringlich elegant, vor allem aber durfte es fast nichts kosten. Für solche Aufgaben der höheren Mathematik konditionierte nur jahrelanges Training. Im dritten Laden fand Hanna schließlich ein rauchgraues halblanges Kleid mit reichlich Ausschnitt vorn und hinten. Das Viskose-Material sah ungemein edel aus, und der Preis vermittelte ihr das Gefühl, es sei heute ihr Glückstag. Mit den hohen schwarzen Schuhen, die sie für alle Fälle immer im Kofferraum ihres Autos hatte, würde der Eindruck perfekt sein.
Auf dem Weg machte sie an einer Telefonzelle Halt. Der Akku ihres Handys war schon wieder einmal leer, und das Ladegerät hatte sie daheim vergessen.
»Hallo, Tante Kunigunde, ich wollte dir nur sagen, dass ich gut in München angekommen bin.«
»Danke, Kind, dass du mir Bescheid sagst. Ist das noch immer das schlechte Gewissen? Du bist doch sonst nicht so fürsorglich.«
»Man kann machen, was man will, immer wird man am Gutsein gehindert. Ja, natürlich habe ich auch noch einen anderen Grund für meinen Anruf. Könntest du mir bitte die Telefonnummer von Anneliese Kurt geben? Ich müsste sie etwas fragen.« Es wäre doch interessant zu erfahren, wie Joschis Verhältnis zu seiner Tante gewesen war, bevor Hanna sich heute Abend mit ihm darüber unterhielt.
»Was ist denn das für eine Frage, dass du sie dafür aus München anrufen musst?«
»Das erzähle ich dir, wenn ich wieder daheim bin. Jetzt mach bitte, mein Geld geht bald zu Ende.«
Hanna schrieb sich die Nummer auf und sagte dann: »Kannst du dir bitte Folgendes notieren: Joschi Schneider, Haiderstraße 5, München. Hast du das? Wenn irgendetwas sein sollte, gibst du diese
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