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Das Haus am Nonnengraben

Titel: Das Haus am Nonnengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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Stapel blitzte ein Papier mit etwas Gold hervor. Neugierig hob Hanna die Prospekte hoch. Darunter lag ein mehrfach gefaltetes Blatt mit goldenem Briefkopf. Hanna nahm es in die Hand, um es sich anzusehen. In dem Moment hörte sie Joschi an der Tür. Erschrocken steckte Hanna den Brief in die Tasche ihres Kleides und griff nach einem Buch, das in Reichweite lag. Joschi trug das Tablett mit den Espressotassen und stieß mit dem Fuß die Tür zu.
    »Na, haben Sie Ihre Untersuchungen fortgesetzt?«, witzelte er, während er das Tablett auf den Couchtisch stellte. Hanna war sehr froh, dass er gerade nicht zu ihr hinsah. Er hätte unmöglich übersehen können, wie rot sie geworden war.
    »Ach, ich habe mich hier festgelesen«, sagte sie so leichthin wie möglich. »Dieses Buch über …« Wovon handelte es bloß? Sie hatte es falsch herum in der Hand und ließ es rasch fallen, um ihren Fehler zu überspielen. »… über Mallorca scheint mir sehr interessant«, schloss sie lahm.
    »Bitte setzen Sie sich.« Joschi wies auf das weiße Ledersofa.
    Als Hanna sich bewegte, raschelte das Papier in ihrer Tasche. Es beulte ihr Kleid deutlich sichtbar aus. »Entschuldigung«, sagte sie. »Ich müsste mal für kleine Mädchen. Wo …?«
    »Vorne im Windfang, neben der Haustür.« Joschi grinste verständnisinnig.
    Als Hanna die Tür der Gästetoilette abschloss, zitterten ihre Hände. So richtig eignete sie sich wohl doch nicht zur Detektivin. Sie holte das Blatt aus ihrem Kleid und glättete es. Doch sie kam nicht dazu, es sich anzusehen, denn in dem Moment hörte sie Joschi draußen rumoren und wurde von der unsinnigen Vorstellung verfolgt, er hätte das Fehlen des Briefes bereits bemerkt und würde am Knistern des Papiers erkennen, was sie tat. Sie faltete das Blatt ganz klein zusammen und versteckte es in dem Reißverschlussfach ihrer kleinen Handtasche. Dann spülte sie und wusch sich geräuschvoll die Hände.
    Als sie ins Wohnzimmer zurückkam, saß Joschi auf dem Sofa und blickte sie anerkennend an. »Das gefällt mir.« Mit einer Geste lud er sie auf den Platz neben sich ein. »Neun von zehn Frauen schminken sich in dieser Situation die Lippen neu. Und ich hasse es, wenn hinterher alles voll Lippenstift ist.«
    Den Lippenstift hatte Hanna in ihrer Aufregung schlicht vergessen, aber Joschis siegessichere Arroganz empörte sie, und sie setzte sich betont beiläufig auf das zweite Sofa, das rechtwinklig zu dem seinen stand.
    »Wie mögen Sie Ihren Espresso?«, fragte Joschi und schenkte die heiße, schwarze Flüssigkeit in die kleinen Tassen.
    »Ähm … ohne Milch, zwei Löffel Zucker.« Hanna war noch immer steif vor Verlegenheit.
    »Schwarz und süß, ich hab’s mir doch gedacht.« Joschis Knie berührte ihres wie aus Versehen, und er zog es nicht zurück.
    Hanna verlagerte ihr Gewicht auf die andere Seite, um ihr Knie unauffällig wegbewegen zu können. Wo fand sich nur auf die Schnelle ein unverfängliches Gesprächsthema? »Wollen Sie nach Mallorca fahren?« Sie deutete auf den Reiseführer, den sie auf den Tisch gelegt hatte.
    Joschis Augen funkelten amüsiert. Er nahm ein Stückchen Würfelzucker, tunkte es in den Kaffee, bis es sich halb vollgesogen hatte, und biss dann mit seinen prächtigen Zähnen den knirschenden feuchten Zucker genüsslich ab. Er ließ ihn auf der Zunge zergehen und bewegte dabei seine Kiefer ganz, ganz langsam vor und zurück. Währenddessen ließ er Hannas Gesicht keine Sekunde aus den Augen. Sein Blick saugte sich an ihrem Mund fest, und er sagte leise: »Ich mag Frauenlippen viel lieber nackt. Vor allem wenn es so schöne nackte Lippen sind wie Ihre.«
    Das ging zu weit. Hanna holte einen kleinen Block aus ihrer Handtasche und setzte ein professionelles Gesicht auf. »Also, jetzt müssen wir aber etwas arbeiten. Sie erzählten vorhin, es sei das Vorbild Ihres Vaters gewesen, das Sie zu Ihrer Berufswahl bewog.«
    Plötzlich sagte Joschi etwas, das der Wahrheit sehr nahe zu kommen schien. »Hm. Außerdem war dieser Beruf, als ich anfing zu studieren, der schnellste Weg, zu Geld zu kommen.«
    »Geld ist Ihnen also wichtig?«
    »Na ja, vor allem das, was man damit machen kann. Womit wir wieder beim Freizeitverhalten wären.« Warum sah er sie denn nur ständig so prüfend an?
    Sie trank ihren Espresso aus. »Okay, wunderbar. Wie sieht es denn damit bei Herrn Dr. Schneider aus?«
    »Nun, raten Sie doch mal, mein kluges Kind.«
    »Ich würde sagen, Sie sammeln keine Briefmarken, Sie züchten

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