Das Haus am Nonnengraben
Person. Ein Lächeln war ja schon ein hoher Gunsterweis, geschweige denn, dass sie mit einem gesprochen hätte.«
»Ach, privat ist Frau Grüner sehr nett.«
»Aber Sie sind eben auch dienstlich sehr nett.«
Frau Morgenthaler errötete wieder und sagte, als Benno auf die Uhr schaute, entschuldigend: »Der Herr Stadtdirektor wird gleich kommen. Er ist nur schnell heimgefahren, um zu duschen.«
Benno hob fragend die Augenbrauen.
Die Sekretärin erklärte: »Der arme Mann! Er hat ja gestern so viel Zeit versäumt wegen der Geschichte mit seinem Sohn. Und dann hat er offenbar die ganze Nacht durchgearbeitet. Er hat einfach so viel um die Ohren, der Herr Stadtdirektor. Er hat’s schon nicht leicht.«
»Wirklich, der arme Mann«, sagte Benno völlig ernst. »So viel um die Ohren.«
Frau Morgenthaler hörte die Ironie nicht. Sie erläuterte wortreich die verschiedenen wichtigen Tätigkeiten ihres Chefs. Es war schon zehn Minuten nach neun, als sich schließlich die Tür öffnete.
Bolz trat auf, frisch gewaschen, im teuren Markenanzug und äußerst aufgeräumt. Benno fand den Geruch seines Rasierwassers widerlich.
Bolz rieb sich die Hände. »Guten Morgen, Herr Staatsanwalt. Schön, dass Sie schon da sind. Morgenthalerchen, machen Sie uns einen Kaffee.«
Frau Morgenthaler nickte und fragte Benno: »Möchten Sie auch einen Kaffee, Herr Staatsanwalt, oder lieber etwas anderes?«
»Danke, ich hätte gern einen Tee.« Und er fügte hinzu, als würde er ihr ein Geheimnis anvertrauen: »Nur mit Zucker bitte.«
Frau Morgenthaler lächelte Benno an. Dann wandte sie sich beflissen an ihren Chef: »Soll ich etwas Gebäck besorgen?«
»Später, Morgenthalerchen, später.« Bolz drehte sich abrupt um und ging in sein Zimmer voraus.
Benno zwinkerte der Sekretärin zu, bevor er ihm folgte und die Tür schloss. In dem weitläufigen Zimmer stand auf einem fast raumfüllenden Teppich ein riesiger schwerer Schreibtisch. An den Wänden hingen Ölschinken mit Bamberg-Ansichten um etwa 1930.
Bolz ließ sich mit einer einladenden Handbewegung zu Benno hinter seinem Schreibtisch nieder. »Sie ermitteln also im Mordfall Rothammer.«
»Ja, wir ermitteln wegen des gewaltsamen Todes von Frau Rothammer. Sie wissen davon?«
»Es stand ja in der Zeitung. Wie schrecklich! Die arme Elfi!«
»Sie haben Frau Rothammer gekannt?«
»Ja, natürlich habe ich Elfi gekannt. Sie war die schönste Frau, die mir je begegnet ist.« Bolz gebrauchte unbewusst die gleichen Worte wie Böschen; es schien die Standardformel im Zusammenhang mit Elfi zu sein. »Ich war ein guter Freund ihres Mannes. Arthur hat mich damals in unseren Club gebracht. Vor Arthurs Tod haben wir eine Zeit lang viel miteinander unternommen.« Seine Hände glitten mit den Handinnenflächen ein paarmal an der Schreibtischkante entlang, und sein Gesicht wirkte für einen kurzen Augenblick geistesabwesend. Dann legte er die Hände wieder locker verschränkt vor sich auf die Schreibunterlage.
Sieht aus, als hätte er das auf einem teuren Seminar gelernt, dieses freundliche Sitzen, dachte Benno.
»Was für ein Jammer jedenfalls, dass Elfi so enden musste. Sie war einmal eine tolle Frau, lebenslustig und alles. Wir hatten gute Zeiten miteinander. Aber in den letzten Jahren ist sie immer komischer geworden, richtig schrullig. Manchmal dachte ich, dass sie vielleicht verrückt war.«
»Wieso?«
»Ach, wenn man etwas zu ihr sagte, dann antwortete sie entweder gar nicht, oder sie sagte etwas völlig Unpassendes.«
»Vielleicht war sie ja nur schwerhörig geworden?«
»Schwerhörig? Ach was! Wenn es um finanzielle Dinge ging, da hat sie gehört wie ein Luchs. Mann, war das ein geldgieriges Weib! Und wurde im Alter immer gieriger. Ich weiß gar nicht, wozu, so verlottert wie sie war.«
Benno spürte ein Kribbeln in den Fingern. »Wann haben Sie Frau Rothammer denn das letzte Mal gesehen?«
»Weiß ich nicht mehr. Ist jedenfalls schon eine ganze Weile her.«
»Könnten Sie vielleicht versuchen, sich etwas genauer zu erinnern, wie lang die ›ganze Weile‹ ist: drei Wochen, drei Monate, drei Jahre?«
Bolz kniff die randlosen Lippen noch etwas fester zusammen.
»So etwa ein Jahr, würde ich sagen. Zum Schluss hatte ich mit Elfi nur noch geschäftlich zu tun.«
»Wegen der Stiftung, die Arthur Rothammer gegründet hat?«
»Natürlich, weswegen sonst?«
»Was wollte Herr Rothammer eigentlich mit dieser Stiftung?«
»Das steht doch in dem Testament, das Sie haben!«
»Nein, daraus
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