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Das Haus am Nonnengraben

Titel: Das Haus am Nonnengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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energischer Gong rief sie zu Tisch. Jahrelang hatte sie sich über dieses Geburtstagsgeschenk einer Freundin mokiert. »Wie überaus passend, so ein Gong für einen Einpersonenhaushalt«, hatte sie gespottet und sich selbst bei jeder Mahlzeit zu Tisch gegongt. Jetzt hatte das Instrument endlich zu seiner wahren Bestimmung gefunden. Die »winzige Kleinigkeit«, die sie zubereitet hatte, war frisches Gemüse vom Markt und ein Berg lockerschaumiges Rührei. Will saß in einem Kinderstühlchen und versuchte konzentriert, nach einem Löffel zu greifen.
    »Er ist wirklich ein sonniges Kind«, stellte Hanna fest. »Schreit er eigentlich nie?«
    »Doch, schon«, antwortete Tanja knapp.
    »Wo habt ihr nur so schnell ein Kinderstühlchen besorgt?«
    »Die Frau Irmler von unten hat es uns geliehen«, sagte Tante Kunigunde. »Aber sie braucht es wieder. Könntest du uns vielleicht morgen Nachmittag dein Auto plus Chauffeuse leihen, damit wir eines kaufen fahren können?«
    »Nein, tut mir leid, Tante Kunigunde, morgen muss ich arbeiten, sonst komme ich mit meinem Abgabetermin nicht klar. Aber Samstag früh muss ich sowieso etwas besorgen, wofür ich das Auto brauche, da kann ich euch mitnehmen. Apropos Auto: Ich habe mir neulich überlegt, wie du das damals eigentlich bei der Geburt gemacht hast, Tanja, so ohne Auto? Wie bist du denn in die Klinik gekommen?«
    »Ach, das war hart.« Tanja sah in ihren Teller. »Als die Wehen anfingen …« Tanja zögerte.
    »Was war, als die Wehen anfingen?«, fragte Tante Kunigunde.
    »Also, das Problem war, ich hatte ja nix von der Krankenkasse, so einen Schein, oder was man da braucht. Bloß meinen Personalausweis. Also musste ich in einem Zustand sein, wenn ich in die Klinik kam, wo sie keine Papiere mehr verlangen konnten. Na ja, als die Wehen anfingen, bin ich rübergelaufen zum Klinikum. Ist ja nicht weit, vom Paradiesweg aus. Und dann hab ich mich dort in die Kirche gesetzt und gewartet, bis das Fruchtwasser abgegangen war und die Wehen ganz oft kamen und ich’s wirklich nimmer aushielt. Dann bin ich in die Notaufnahme und hab gesagt, ich sei auf einem Spaziergang gewesen und hätte deshalb keine Papiere bei mir. Ich hab dann auf dem Gang gelegen, weil kein Zimmer mehr frei war, und Will lag im Bettchen neben mir.« Tanja grinste etwas schräg. »Und in der nächsten Nacht bin ich fort.«
    Hanna wischte sich mit der Serviette über die Lippen, damit man ihre Skepsis nicht bemerkte. Ob Benno diese Geschichte glauben würde? Aber Tante Kunigunde sah Tanja stolz an, küsste sie auf die Stirn und sagte: »Komm an mein Herz, Kind. Du bist aus dem Stoff, aus dem Welteroberer gemacht sind. Du imponierst mir!« Dann wandte sie sich an Will: »Du hast eine Mama, weißt du!«
    Hanna sah, dass Tanja mit den Tränen kämpfte.
    Irgendwann während des Essens gelang es Hanna, Tante Kunigundes Schilderung der begeisterten Äußerungen verschiedener Personen über Will zu unterbrechen und sie zu fragen: »Hast du schon mal was von einer Arthur-Rothammer-Stifung gehört?«
    »Nein.« Erstaunt fügte Tante Kunigunde hinzu: »Arthur hat eine Stiftung gegründet? Wofür denn?«
    »Davon sollte unter anderem das Haus am Nonnengraben erhalten werden. Aber das ist doch in einem schrecklichen Zustand. Kannst du dir vorstellen, warum?«
    Tante Kunigunde überlegte. »Hm, weiß ich nicht. Brauchst du denn immer noch Informationen über das Rothammer-Haus? Dein Artikel ist übrigens gleich am Dienstag erschienen. Er war sehr gut. Eine ganze Menge Leute haben mich darauf angesprochen.«
    »Freut mich. Wenn ich heimkomme, werde ich mir die Zeitung gleich anschauen. Aber noch mal zum Haus am Nonnengraben: Weißt du vielleicht, ob dort einmal Reparaturen ausgeführt worden sind und welche Firmen daran beteiligt waren?«
    Zu ihrem Erstaunen wurde Tante Kunigunde etwas rot. Sie schluckte und antwortete erst nach einer Weile. »Hm, ja. Einmal wurde dort das Dach repariert, irgendwas mit den Sparren war nicht in Ordnung. Das weiß ich, weil die Firma unmittelbar danach bei mir war, um mein Dach neu zu decken, und da haben sie davon erzählt, wie Elfi sie so schikaniert hat, dass sie schließlich den Auftrag hingeschmissen haben. Drum konnten sie auch früher als erwartet zu mir kommen.« Tante Kunigunde lächelte in ihren Suppenteller. »Er war so wütend, man hätte ihm gar nicht zugetraut, dass er so wütend werden könnte. Hier am Tisch saß er und schimpfte. Aber mein Eierlikör hat ihn besänftigt. Den mochte er

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