Das Haus am Nonnengraben
scheint ihn geliebt zu haben, er war der Mann ihrer Träume. Schreibt sie in ihrem Tagebuch. Dieses Tagebuch ist wirklich erschütternd. Sie hat auf der Flucht schreckliche Dinge erlebt. Für sie war Arthur der Beginn eines neuen Lebens.«
»Aber ihn hat sie damit kaputt gemacht. Elfi und Karla konnten überhaupt nicht miteinander auskommen, und als Karla schwanger wurde, gab es einen Riesenkrach zwischen Arthur und seiner Schwester, und Karla ging für immer weg.«
»Das verstehe ich nicht ganz. Was hatte Elfi mit der Schwangerschaft ihrer Schwägerin zu tun? War es denn Arthurs Kind?«
»Nein, nein, die beiden hatten keine sexuelle Beziehung; im Gegenteil, Karla hat alles getan, um das zu vermeiden.«
»Und was ist aus dem Kind geworden?«
»Das ist Joschi Schn … nein, falsch, Joschi kam erst später. Das erste Kind ist wenige Wochen nach der Geburt gestorben.«
»Das weißt du alles aus den Briefen, von denen du mir erzählt hast?«
Hanna nickte.
»Und Arthur Rothammer, hat der sich so einfach mit dem Verschwinden seiner Schwester abgefunden?«
»Einmal hat er sie aufgespürt, weil Kürtchen ihm ihre Adresse verraten hatte. Aber Karla hat jeden weiteren Kontakt verweigert. Und dann ist er bei einem Autounfall umgekommen. Es muss Selbstmord gewesen sein, das verraten seine Gedichte. Sehr schöne und sehr traurige Gedichte.«
Benno nickte nachdenklich. »Und kurz vorher hat er diese Stiftung eingerichtet. Ohne seiner Frau etwas davon zu sagen.«
»Das ist ja wohl … Weißt du, es ist seltsam: Keiner, mit dem ich über Elfi Rothammer gesprochen habe, hatte ein gutes Wort für sie übrig. Meine Tante Kunigunde, der menschenfreundlichste Mensch, den ich kenne, bekam bei ihrer Erwähnung einen so harten Zug um den Mund, wie ich ihn noch nie an ihr gesehen habe. Elfi muss ein Biest gewesen sein. Aber eigentlich tut sie mir irgendwie auch leid: Stell dir doch mal vor, mit einem Mann verheiratet zu sein, der dich nur genommen hat, um von der Liebe zu seiner Schwester loszukommen.« Sie schaute versonnen in ihren Bierkrug. »Und der das dann nicht schafft, der, während er mit dir verheiratet ist, verzweifelt seine Schwester liebt. Und Elfi hatte nicht einmal Kinder, um sich zu trösten, oder irgendjemanden, um zu reden.«
»Da hast du recht. Sie muss sehr einsam gewesen sein. Böschen hat mir erzählt, dass sie sehr intensiv mit den Freunden ihres Mannes geflirtet habe. Vielleicht hat sie das ja nicht nur getan, um ihren Mann eifersüchtig zu machen, sondern weil sie irgendwie menschlichen Kontakt suchte.«
»Hm, manchmal ist das ja so bei sehr schönen Frauen – sie haben nie gelernt, einen Freund oder eine Freundin zu finden, weil die andern immer als Erstes ihre Schönheit sehen und damit alle anderen Wahrnehmungen blockiert sind.«
»Na, Gott sei Dank besteht da ja bei dir nicht die geringste Gefahr.« Benno griff über den Tisch nach Hannas Hand.
Sie grinste und gab ihm einen Klaps. »Du Hollamöffl!«
»Hollamöffl?«
»Bambergerisch für ›grober Klotz‹.« Sie verputzte den letzten Happen ihres Amüsgöllala. »Aber wenn Frau Rothammer früher so schön war, warum sah sie denn jetzt aus wie eine Hexe und lief herum wie eine Pennerin? Hatte sie denn gar kein Geld mehr?«
»Im Gegenteil, sie war ausgesprochen reich. Allerdings hat sie für sich kaum etwas verbraucht. Sie hat ihr Geld vor allem an Flüchtlingsorganisationen gegeben.«
»Elfi Rothammer? Flüchtlingsorganisationen? Na so was! Das hätte ich im Leben nicht gedacht! Wenn ich das Tante Kunigunde erzähle …«
»Das wirst du bitte bleiben lassen. Was wir hier besprechen, bleibt unter uns. Versprochen?«
»Na klar. Entschuldige, ich habe nicht daran gedacht …«
»Ist schon gut.« Er nahm einen Zahnstocher und hielt die Spitze in die Kerzenflamme. »Diese Elfi ist und bleibt eine widersprüchliche Person. Seit ich ihr Tagebuch gelesen habe, ist sie mir irgendwie nah gekommen. Trotzdem bleibt so vieles rätselhaft. Und was könnte das alles denn mit dem Mord zu tun haben? Ich finde nirgendwo eine Verbindung.« Benno pustete die kleine Flamme an der Spitze des Zahnstochers aus. »Oh, hm, da kommt unsere Kürbissuppe. Das duftet ja hinreißend, Frau Gruse. Ist der kleine Klecks da in der Mitte Kürbiskernöl?«
»Biolochisch, aus dä Steiermark«, nickte Frau Gruse und eilte geschäftig wieder davon.
Nach den ersten paar Löffeln der leuchtend orangegelben, sämigen Suppe fragte Hanna: »Wen hast du denn bisher überhaupt auf
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