Das Haus Am Potomac
lassen. Dadurch fällte Ihre Anwesenheit
nicht so auf.«
»Sie denken aber auch an alles«, sagte Pat zu ihm.
»Nun kommen Sie, wie wäre es mit einem netten breiten
Lächeln? Sie werden eines für die Kamera brauchen, wenn
wir zu drehen beginnen.«
»Ich hebe mir das Lächeln auf, bis ich die fertig
bearbeitete Sendung gesehen habe.« Doch er wirkte ein
wenig entspannter.
Wenige Minuten später traf Abigail ein. »Ich bin ja so
froh, daß Sie da sind«, sagte sie zu Pat. »Als wir Sie nicht
erreichen konnten, befürchteten wir schon, Sie wären
verreist.«
»Ich habe Ihre Nachricht erst gestern abend erhalten.«
»Oh. Luther war nicht sicher, ob Sie heute kommen
könnten.«
Das war also der Grund für das belanglose Geplauder,
dachte Pat: Die Senatorin wollte wissen, wo sie gewesen
war. Das gedachte sie jedoch nicht zu verraten. »Ich werde
Ihnen von nun an nicht mehr von der Seite weichen, bis
die Sendung fertig ist«, erklärte sie. »Sie werden es
wahrscheinlich bald leid sein, mich in Ihrer Nähe zu
haben.«
Abigail schien noch nicht zufriedengestellt. »Ich muß
Sie jederzeit schnell erreichen können. Luther sagte mir,
Sie hätten einige Fragen, die Sie mit mir durchsprechen
wollten. So wie mein Terminplan aussieht, weiß ich oft
nicht, wann ich Zeit haben werde – bis es soweit ist. Jetzt
wollen wir an die Arbeit gehen.«
Pat folgte ihr in ihr Privatbüro und bemühte sich, nicht
störend zu wirken. Kurz darauf war die Senatorin in ein
Gespräch mit Philip vertieft. Ein Bericht, den er ihr auf
den Schreibtisch legte, kam mit Verspätung. Sie fragte ihn
scharf nach dem Grund dafür. »Der hätte mir schon letzte
Woche vorliegen sollen.«
»Die Zahlen waren noch nicht vollständig.«
»Wieso nicht?«
»Die Zeit hatte einfach nicht gereicht.«
»Wenn die Zeit tagsüber nicht reicht, bleibt noch der
Abend«, brauste Abigail auf. »Wenn jemand von meinen
Mitarbeitern neuerdings Dienst nach Vorschrift macht,
möchte ich darüber informiert werden!«
Ab sieben kamen die Besucher. Pats Hochachtung vor
Abigail wuchs mit jeder ihrer Unterredungen.
Besprechungen mit Interessenvertretern der Ölindustrie,
der Umweltschützer, der Kriegsveteranen.
Strategieabsprachen für die Vorlage eines neuen
Wohnungsbaugesetzes. Anhörung der Einwände eines
Vertreters der Steuerbehörde gegen eine vorgeschlagene
Steuererleichterung für Steuerzahler mittlerer Einkommen.
Eine Delegation älterer Mitbürger protestierten gegen
Kürzungen der Sozialversicherung.
Als der Senat zusammentrat, begleitete Pat Abigail und
Philip zum Sitzungssaal. Pat bekam keinen Zutritt zum
Pressesektor hinter der Estrade und nahm auf der
Besuchergalerie Platz. Sie beobachtete, wie die Senatoren
aus dem Garderobenraum hereinkamen, einander
unterwegs mit einem freundlichen Lächeln begrüßten. Es
gab die unterschiedlichsten Gestalten – große und kleine,
gerippehaft dürre und kugelrunde, langmähnige, sorgfältig
frisierte und kahle. Vier oder fünf hatten das
gelehrtenhafte Aussehen von Professoren.
Es gab noch zwei weitere Senatorinnen, Claire Lawrence
von Ohio und Phyllis Holzer, eine Parteilose, die bei der
Wahl einen überwältigenden Überraschungssieg errungen
hatte.
Pat beobachtete mit besonderem Interesse Claire
Lawrence. Die Senatorin aus Ohio trug ein lässig sitzendes
dreiteiliges marineblaues Strickkostüm. Ihr kurz
geschnittenes pfeffer- und salzfarbenes Haar wirkte nicht
streng dank der Naturwelle, mit der es sich um ihr Gesicht
legte und dessen Kantigkeit abmilderte. Pat fiel auf, mit
welch aufrichtiger Herzlichkeit diese Frau von ihren
Kollegen begrüßt wurde und wie ihre gemurmelten
Begrüßungsworte mit Lachen quittiert wurden. Claire
Lawrence war berühmt für ihre Redegewandtheit; mit
ihrer Schlagfertigkeit schaffte sie es, bei hitzigen Debatten
Groll und Haß verpuffen zu lassen ohne das Thema, um
das es ging, herabzuwürdigen.
Pat schrieb schnell »Humor« in ihr Notizheft und
unterstrich das Wort. Abigails Auftreten wurde mit Recht
als ernst und angespannt empfunden. Einige wenige
lockere Momente mußten mit in die Sendung und sorgsam
plaziert werden.
Ein langes, eindringliches Läuten rief die Senatoren zur
Ordnung. Der Senior-Senator von Arkansas hatte an Stelle
des erkrankten Vizepräsidenten den Vorsitz. Nachdem
einige kleinere geschäftliche Angelegenheiten erledigt
waren, erteilte der Vorsitzende der Senatorin von Virginia
das Wort.
Abigail stand auf und
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