Das Haus Am Potomac
weißgetünchten Wände brachten seine großartige
Kunstsammlung voll zur Geltung. Bequeme, dick
gepolsterte Sofas und antike georgianische Tische fielen
Pat ins Auge. Vor den Terrassentüren stand ein riesiger
silbern geschmückter Weihnachtsbaum.
Im Eßzimmer war ein herrliches Büffet angerichtet: mit
Kaviar und Stör, einem Virginia-Schinken, Puter in Gelee,
warmen Brötchen und Salaten. Zwei Kellner füllten
diskret die Champagnergläser der Gäste nach.
Botschafter Cardell, klein, gepflegt und weißhaarig, hieß
Pat höflich und charmant willkommen und machte sie mit
seiner Schwester Rowena Van Cleef bekannt, die jetzt bei
ihm lebte. »Ich bin seine kleine Schwester«, sagte
Mrs. Van Cleef augenzwinkernd zu Pat. »Ich bin erst
vierundsiebzig; Edward ist zweiundachtzig.«
Es waren an die vierzig Leute anwesend. Lila machte Pat
mit leiser Stimme auf die berühmtesten unter ihnen
aufmerksam. »Der britische Botschafter und seine Frau,
Sir John und Lady Clemens … der französische
Botschafter … Donald Arien – er soll in Kürze zum Leiter
der Weltbank ernannt werden … Der große Mann am
Kamin ist General Wilkins – er soll das NatoOberkommando übernehmen … Senator Whitlock – die
Dame da bei ihm ist nicht seine Frau …«
Sie stellte Pat den Nachbarn vor. Pat stellte überrascht
fest, daß sie im Mittelpunkt des Interesses stand. Gab es
einen Hinweis, wer den Einbruch begangen haben könnte?
Sah es nicht so aus, als ob der Präsident Senatorin
Jennings zur Vizepräsidentin ernennen würde? War die
Zusammenarbeit mit der Senatorin angenehm? Wurde die
Sendung im voraus vollständig aufgezeichnet?
Gina Butterfield, die Kolumnistin von der Washington
Tribune, war herbeigeschlendert und hörte begierig zu,
was Pat zu sagen hatte.
»Es ist so sonderbar, daß jemand bei Ihnen eingebrochen
und einen Drohbrief hinterlassen hat«, meinte die
Kolumnistin. »Offenbar haben Sie die Drohung nicht ernst
genommen.«
Pat bemühte sich, die Sache herunterzuspielen. »Wir
glauben alle, daß es ein Spinner war. Ich bedauere sehr,
daß es so hochgespielt wurde. Das ist der Senatorin
gegenüber wirklich unfair.«
Die Kolumnistin lächelte. »Meine Liebe, so ist
Washington. Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, daß
man etwas so Aufsehenerregendes unter den Tisch fallen
lassen könnte. Sie scheinen eine große Optimistin zu sein;
ich an Ihrer Stelle wäre ziemlich fassungslos, wenn man
bei mir eingebrochen und mir so gedroht hätte.«
»Vor allem in diesem Haus«, warf jemand ein. »Hat man
Ihnen von dem Mord und Selbstmord der Adams’ da
erzählt?«
Pat blickte auf die Blasen in ihrem Champagnerglas.
»Ja, ich habe davon gehört. Aber das ist lange her, nicht
wahr?«
»Müssen wir darüber reden?« mischte sich Lila ein.
»Heute ist Heiligabend.«
»Moment mal«, sagte Gina Butterfield schnell. »Adams.
Kongreßabgeordneter Adams. Soll das heißen, daß Pat in
dem Haus lebt, in dem er sich umgebracht hat? Wie
kommt es, daß das der Presse entgangen ist?«
»Was hat denn das mit dem Einbruch zu tun?«
entgegnete Lila barsch.
Pat fühlte, wie die ältere Dame sie wie zur Warnung am
Arm faßte. Verriet ihr Gesichtsausdruck zuviel?
Der Botschafter kam bei ihrer Gruppe vorbei. »Bitte
nehmen Sie sich doch zu essen«, drängte er.
Pat drehte sich um und wollte hinter ihm hergehen, aber
die Frage der Kolumnistin an eine andere Frau ließ sie
innehalten.
»Haben Sie zum Zeitpunkt ihres Todes hier in
Georgetown gelebt?«
»Ja, allerdings. Nur zwei Häuser weiter. Damals lebte
meine Mutter noch. Wir kannten die Adams ziemlich gut.«
»Das war, bevor ich nach Washington kam«, erklärte
Gina Butterfield. »Aber ich habe natürlich alle Gerüchte
gehört. Stimmt es, daß da mehr dahinter steckte, als
herausgekommen ist?«
»Natürlich stimmt das.« Die Lippen der Nachbarin
teilten sich zu einem hinterhältigen Lächeln. »Renées
Mutter, Mrs. Schuyler, spielte in Boston die grande dame. Sie hat der Presse erzählt, Renée habe erkannt, daß ihre
Ehe ein Fehler war, und habe vor, sich scheiden zu
lassen.«
»Pat, sollen wir uns nicht etwas zu essen holen?« Lilas
Arm drängte sie fort.
»Und wollte sie sich nicht scheiden lassen?« fragte Gina.
»Das möchte ich bezweifeln«, sagte die andere bissig.
»Sie war verrückt, was Dean anging, wahnsinnig
eifersüchtig und wütend auf seine Arbeit. Auf Parties eine
richtige Blindgängerin. Machte nie den Mund auf. Und die
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