Das Haus Am Potomac
war es kalt und trübe. Außer ihm war
niemand da. Sie hatten dem Personal, soweit es möglich
war, diesen Tag frei gegeben. Er hatte sich freiwillig zum
Dienst gemeldet.
Seine Hände waren ruhelos und trocken; seine Nerven
vibrierten vor Empörung. Sie hatten kein Recht, ihn so zu
behandeln. Seine Blicke schweiften durch den kahlen
Raum. Die meisten Vorräte waren in dem großen
Vorratsraum eingeschlossen, aber in der Nähe der Treppe
war ein Schrank mit allen möglichen Sachen darin. Er war
voller angebrochener Flaschen und Dosen verschiedener
Reinigungsmittel und ungewaschener Staubtücher. Er
dachte an diese Leute da oben – Mrs. Harnick mit ihren
Anschuldigungen, Mr. Thomans Tochter, die ihm
befohlen hatte, sich von ihrem Vater fernzuhalten,
Schwester Sheehan. Wie konnten sie es wagen, über ihn
zu tuscheln, an ihm zu zweifeln, ihn abzulehnen?
In dem Schrank fand er eine halbleere Dose Terpentin.
Er lockerte den Verschluß, dann legte er sie auf die Seite.
Das Terpentin begann auf den Boden zu tropfen. Er ließ
den Schrank offen. Direkt daneben waren etwa ein
Dutzend Müllsäcke nebeneinander aufgestapelt, die darauf
warteten, daß sie auf den Müllplatz gebracht wurden.
Arthur rauchte nicht, aber wenn Besucher im Pflegeheim
Schachteln mit Zigaretten liegenließen, nahm er sie immer
für Glory mit. Jetzt nahm er eine Salem aus der Tasche,
zündete sie an, paffte daran, bis er sicher war, daß sie nicht
ausgehen würde, machte die Verschnürung eines
Müllsacks auf und ließ die Zigarette hineinfallen.
Es würde nicht lange dauern. Die Zigarette würde
weiterschwelen; schließlich würde der ganze Sack in
Brand geraten, dann auch die anderen Säcke, und das
heraustropfende Terpentin würde dafür sorgen, daß das
Feuer außer Kontrolle geriet. Die Lappen in dem Schrank
würden für eine dichte Rauchentwicklung sorgen, und bis
das Personal die alten Leute hinauszuschaffen versuchte,
wäre schon das ganze Gebäude ein Opfer der Flammen. Es
würde so aussehen, als wäre Nachlässigkeit die
Brandursache – eine brennende Zigarette im Abfall; eine
Feuersbrunst, die dadurch entstanden war, daß aus einer
umgekippten Dose Terpentin herausgetropft war –, falls
die Nachforschungen überhaupt so viel ergaben.
Er band den Sack wieder zu, als ein schwacher, guter
Brandgeruch bewirkte, daß seine Nasenflügel erbebten
und seine Lenden sich strafften. Dann eilte er aus dem
Gebäude und durch die menschenleere Straße zur Metro.
Als Arthur nach Hause kam, lag Glory im Wohnzimmer
auf der Couch und las ein Buch. Sie trug einen sehr
hübschen blauen Hausmantel aus Wolle, mit einem
Reißverschluß bis an den Hals und langen breiten Ärmeln.
Das Buch, das sie las, war ein Roman, der auf der
Bestsellerliste stand und $15.95 gekostet hatte. Arthur
hatte in seinem ganzen Leben noch nie mehr als einen
Dollar für ein Buch ausgegeben. Er und Glory waren sonst
immer in Antiquariate gegangen, hatten dort
herumgestöbert und waren mit sechs oder sieben Titeln
wieder nach Hause gekommen. Und es hatte ihnen Spaß
gemacht, gemütlich zusammenzusitzen und zu lesen. Aber
neben diesem Buch mit seinem glänzenden
Schutzumschlag und seinen frischen, spröden Seiten
wirkten die Bände mit den Eselsohren und den fleckigen
Umschlägen, die sie mit so viel Vergnügen gekauft hatten,
ärmlich und schäbig. Ein Mädchen aus dem Büro hatte ihr
dies Buch gegeben.
Glory hatte ihm ein Hähnchen gebraten und eine
Kronsbeerensauce und heiße Muffins gemacht. Aber es
machte keinen Spaß, alleine sein Weihnachtsessen zu sich
zu nehmen. Sie hatte gesagt, sie wäre nicht hungrig. Sie
schien sehr angestrengt nachzudenken. Er ertappte sie
mehrere Male dabei, wie sie ihn mit forschenden,
sorgenvollen Augen anstarrte. Das erinnerte ihn daran, wie
Mrs. Harnick ihn angesehen hatte. Er wollte nicht, daß
Glory vor ihm Angst hatte.
»Ich habe ein Geschenk für dich«, erklärte er. »Ich bin
sicher, daß es dir gefallen wir.« Er hatte gestern in dem
großen Discount-Geschäft im Einkaufszentrum eine weiße
Rüschenschürze für die Raggedy Ann -Puppe gekauft, und
bis auf einige Flecken im Kleid sah die Puppe aus wie
immer. Und er hatte Weihnachtspapier gekauft und sie so
verpackt, daß es richtig nach einem Geschenk aussah.
»Und ich habe auch ein Geschenk für dich, Vater.«
Sie tauschten feierlich die Geschenke aus. »Pack du
deines zuerst aus«, sagte er. Er wollte ihr Gesicht sehen.
Sie
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