Das Haus Am Potomac
»Nun kommen Sie, Senatorin, zeigen Sie ihnen,
daß Sie wirklich was vom Kochen verstehen«,
schmeichelte er.
Abby weigerte sich, eine Schürze über ihre DesignerBluse und die Hose zu ziehen, aber als sie Hors d’œvres
zuzubereiten begann, zeigte sich deutlich, daß sie eine
Meisterköchin war. Toby sah zu, wie sie einen Blätterteig
für Pastetenhüllen ausrollte, Schinken klein schnitt für
eine Quiche, Krabbenfleisch würzte, wie ihre langen
schlanken Finger mit wunderbarem Geschick hantierten.
Unordnung in der Küche kam für Abby nicht in Frage.
Nun, ein Teil des Lobes dafür gebührte Francey Foster.
Sobald die Kamera-Crew mit den Aufzeichnungen
begann, fing Abigail an, sich zu entspannen. Nach
mehreren Einstellungen sagte Pat: »Vielen Dank,
Senatorin. Ich bin sicher, wir haben, was wir wollten. Das
kam sehr gut rüber. Wenn es Ihnen nichts ausmacht,
würden Sie sich dann jetzt bitte das anziehen, was Sie
heute abend tragen wollen, damit wir die Büffet-Szene
aufnehmen können.«
Toby war gespannt, was Abigail tragen würde. Sie hatte
zwischen verschiedenen Abendroben geschwankt und sich
nicht recht festlegen wollen. Als sie zurückkam, sah er mit
Befriedigung, daß sie eine gelbe Satinbluse trug, deren
Farbe zu dem Gelb in ihrem buntkarierten Taftrock paßte.
Ihr Haar fiel weich um ihr Gesicht und ihren Hals. Ihr
Augen-Make-up war kräftiger als gewöhnlich. Sie sah
phantastisch aus. Außerdem hatte sie etwas von diesem
Glühen an sich. Toby wußte, warum. Sam Kingsley hatte
angerufen und ihr gesagt, daß er zu ihrer Party käme.
Keine Frage, Abby hatte es auf Sam Kingsley
abgesehen. Toby war nicht entgangen, wie sie ihre
Bekannten gebeten hatte, sie bei Dinner Parties neben Sam
zu setzen. Er hatte etwas an sich, das Toby an Billy
erinnerte, und das zog Abby natürlich so an. Sie zog in der
Öffentlichkeit eine gute Show ab, aber nach Billys Tod
war sie völlig fertig gewesen.
Toby wußte, daß Sam ihn nicht mochte. Aber das war
kein Problem. Sam würde es nicht länger aushalten als die
anderen. Abby war den meisten Männern zu herrisch.
Entweder wurden sie es leid, ständig Rücksicht auf ihre
Termine und Launen zu nehmen, oder, wenn sie sich ihr
unterwarfen, wurde Abby sie leid. Er, Toby, würde zu
Abbys Leben gehören, bis einer von ihnen beiden starb.
Sie wäre ohne ihn verloren, und das wußte sie.
Als er sie da so an dem Büffet posieren sah, mußte er in
einem Anflug von Bedauern kräftig schlucken. Hin und
wieder stellte er sich vor, wie es hätte sein können, wenn
er ein guter Schüler gewesen wäre – nicht nur clever und
gerissen; wenn er Ingenieur geworden wäre statt
Faktotum. Und wenn er gut ausgesehen hätte wie dieser
saftlose, kraftlose Jeremy Saunders statt grobgesichtig und
stämmig – nun, wer weiß? Vielleicht hätte sich Abby dann
ja irgendwann auch in ihn verknallt.
Er schob den Gedanken beiseite und machte sich wieder
an die Arbeit.
Um Punkt fünf fuhr der erste Wagen vor. Ein oder zwei
Minuten später kamen der pensionierte Richter des
Obersten Bundesgerichts und seine Frau herein. »Frohe
Weihnachten, Frau Vizepräsidentin«, begrüßte sie der
Richter.
Abigail erwiderte seinen Kuß herzlich. »Aus Ihrem
Mund in Gottes Ohr«, meinte sie lachend.
Weitere Gäste strömten herein. Aushilfsweise engagierte
Kellner gossen Champagner und Punsch ein. »Warten Sie mit den harten Sachen bis später«, hatte Luther geraten.
»Die Bibelbrüder und Fundamentalisten im Süden sehen
es nicht gerne, wenn ihre Staatsbeamten Schnaps
servieren.«
Sam kam als letzter. Abigail machte ihm selbst die Tür
auf. Sie drückte ihm zärtlich einen Kuß auf die Wange.
Luther ließ die zweite Kamera auf sie richten. Pat spürte,
wie sie der Mut verließ. Sam und Abigail gaben ein toll
aussehendes Paar ab – beide waren groß, ihr aschblondes
Haar hob sich gegen sein schönes dunkles volles Haar ab,
die grauen Strähnen darin bildeten ein harmonisches
Gleichgewicht zu den feinen Fältchen um seine Augen.
Pat beobachtete, wie sich alles um Sam scharte. Für
mich ist er immer nur Sam, dachte sie. Ich habe ihn noch
nie in seinem beruflichen Element erlebt. War es so auch
mit ihrer Mutter und ihrem Vater gewesen? Sie hatten sich
im Urlaub auf Martha’s Vineyard kennengelernt. Nicht
mal einen Monat später waren sie verheiratet, ohne daß
einer viel von der Welt des anderen wußte oder verstand –
und dann hatten die Reibereien
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