Das Haus Am Potomac
Ich wollte eine Erklärung
für das finden, was mein Vater meiner Mutter und mir
angetan hat. Und ich wollte dich wiedersehen in der festen
Gewißheit, daß es die Wiederbegegnung des Jahrhunderts
würde. Nun, es hat sich gezeigt, daß alles nicht so ist, wie
ich es erwartet hatte. Abigail Jennings ist eine gute
Politikerin und eine starke Führungspersönlichkeit, aber
sie ist menschlich nicht sympathisch. Ich wurde für diese
Sendung geködert, weil meine irrigen vorgefaßten
Meinungen über Abigail Luther Pelham gelegen kamen
und weil der Ruf, den ich mir in der Branche erworben
habe, dieser Sache, die im Grunde eine Propagandaposse
ist, Glaubwürdigkeit verleihen soll. Bei dieser Frau gibt es
so viele Dinge, die sich nicht zusammenreimen, daß es mir
Angst macht.
Ich bin nun auch lange genug hier, um zu wissen, daß
meine Mutter keine Heilige war, wie man mir eingeredet
hat, und sie daß meinen Vater wahrscheinlich damals in
jener Nacht zu so etwas wie einem momentanen Anfall
von Wahnsinn gereizt hat. Das ist nicht die ganze
Wahrheit – noch nicht; aber es kommt schon nahe an sie
heran.
Und was uns angeht, Sam, muß ich mich bei dir
entschuldigen. Es war gewiß schrecklich naiv von mir zu
glauben, daß ich für dich mehr war als ein Abenteuer. Die
Tatsache, daß du mich nach dem Tod von Janice nie
angerufen hast, hätte mir zu denken geben sollen, aber
offenbar begreife ich nicht so schnell. Du kannst jetzt
aufhören, dir Sorgen zu machen. Ich werde dich nicht mit
weiteren Liebeserklärungen belästigen. Es ist ziemlich
klar, daß du etwas mit Abigail Jennings hast.«
»Ich habe nichts mit Abigail!«
»Oh, doch, das hast du. Vielleicht weißt du es selbst
noch nicht, aber es ist so. Diese Frau begehrt dich, Sam.
Jeder, der Augen im Kopf hat, kann das sehen. Und du
hast nicht ohne Grund deinen Urlaub abgebrochen und bist
auf ihre Bitte quer durchs ganze Land herbeigeeilt. Vergiß
es einfach, du brauchst mich nicht schonend auf eine
Abfuhr vorzubereiten. Wirklich, Sam, all dies Gerede, daß
du kaputt bist und nicht in der Lage, Entscheidungen zu
treffen, paßt nicht sehr gut zu dir. Du kannst jetzt damit
aufhören.«
»Ich habe dir das gesagt, weil es die Wahrheit ist.«
»Dann komm zu dir! Es paßt nicht zu dir. Du bist ein
gutaussehender, kraftvoller Mann, der noch zwanzig oder
dreißig Jahre vor sich hat.« Sie brachte ein Lächeln
zustande. »Vielleicht erschüttert dein Ego ein wenig die
Aussicht darauf, Großvater zu werden.«
»Bist du fertig?«
»Ziemlich.«
»Dann bin ich, sofern du gestattest, länger geblieben, als
ich offenbar erwünscht war.« Er stand, rot im Gesicht, auf.
Sie streckte ihm die Hand entgegen. »Es gibt keinen
Grund, warum wir nicht Freunde bleiben sollten.
Washington ist eine kleine Stadt. Das ist auch der Grund,
warum du mich überhaupt angerufen hast, stimmt’s?«
Er antwortete nicht.
Mit einer gewissen Befriedigung vernahm Pat, wie er
beim Hinausgehen die Haustür hinter sich zuschlug.
25
»Senatorin, wahrscheinlich wollen sie, daß du
Nachrichten-Moderatorin bei der Today Show wirst«,
bemerkte Toby von sich aus herzlich. Er blickte in den
Rückspiegel, um zu sehen, wie Abby reagierte. Sie waren
auf dem Weg zum Büro. Um halb sieben an diesem 26.
Dezember war es noch dunkel und bitter kalt.
»Ich habe keine Lust, Moderatorin zu werden, weder bei
der Today-Show, noch bei einer anderen«, bemerkte
Abigail grimmig. »Toby, wie, zum Teufel, sehe ich
überhaupt aus? Ich habe die ganze Nacht kein Auge
zugetan. Toby, der Präsident hat mich angerufen … mich
persönlich angerufen. Er hat gesagt, ich solle mich
während der weihnachtlichen Parlamentsferien gut
erholen, weil wir ein arbeitsreiches Jahr vor uns hätten.
Was kann er damit gemeint haben? … Toby, ich spüre es.
Das Amt des Vizepräsidenten. Toby, warum habe ich
mich nicht auf meinen Instinkt verlassen? Warum habe ich
mich von Luther Pelham zu dieser Sendung überreden
lassen? Wo hatte ich meinen Kopf?«
»Senatorin, hör zu. Die Sache mit dem Bild ist vielleicht
das Beste, was dir überhaupt widerfahren konnte. Eines
steht fest: Dies Mauerblümchen Claire Lawrence hat nie
einen Wettbewerb gewonnen. Vielleicht hat Pat Traymore
recht. Das macht dich irgendwie zugänglicher – ist das das
richtige Wort?«
Sie fuhren über die Roosevelt Bridge, und der Verkehr
nahm zu. Toby konzentrierte sich aufs Fahren. Als er das
nächste Mal in den Rückspiegel
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