Das Haus Am Potomac
Versprich mir. Noch nicht .«
Ein Polizeiwagen fuhr langsam am Häuserblock entlang.
Er durfte keine Minute Zeit mehr verlieren. Kaum hatte sie
geflüstert: »Ich verspreche es«, hing er auf und verbarg
sich schnell in einem Hauseingang. Als der Streifenwagen
vorbei war, steckte er die Hände in die Taschen und
machte sich in steifer, aufrechter Haltung auf den Weg zur
Metro.
Abigail war gedämpfter Stimmung, als sie um halb elf
zum Auto zurückkam. Toby setzte gerade dazu an, etwas
zu sagen, aber etwas riet ihm, den Mund zu halten. Sollte
Abby selber entscheiden, ob sie sich etwas von der Seele
reden wollte.
»Toby, mir ist noch nicht danach, nach Hause zu
fahren«, sagte Abigail plötzlich. »Fahr mich zum
Watergate hinüber. Ich kann dort ein spätes Frühstück
einnehmen.«
»Natürlich, Senatorin.« Er sagte das mit kräftiger
Stimme, als wäre ihre Bitte nichts Ungewöhnliches. Er
wußte, warum Abby dahin wollte. Sam Kingsley wohnte
in demselben Gebäude, in dem das Restaurant lag. Von da
aus würde sie wahrscheinlich oben anrufen und Sam,
wenn er da war, bitten, ihr bei einer Tasse Kaffee
Gesellschaft zu leisten.
Gut. Aber dies Gespräch gestern abend zwischen Sam
Kingsley und Pat Traymore war kein Zufall gewesen. Die
beiden hatten etwas miteinander. Er wollte nicht, daß
Abby wieder unglücklich wurde. Er überlegte, ob er ihr
einen Hinweis geben sollte.
Bei einem Blick über seine Schulter bemerkte er, daß
Abigail in ihren Handspiegel blickte und ihr Make-up
überprüfte.
»Du siehst phantastisch aus, Senatorin«, sagte er.
Am Watergate-Komplex riß der Pförtner den
Wagenschlag auf, und Toby nahm zur Kenntnis, daß er
besonders breit lächelte und sich respektvoll verbeugte.
Zum Teufel auch, es gab hundert Senatoren in
Washington, aber nur einen Vizepräsidentenposten. Ich
will, daß du ihn bekommst, Abby, dachte er. Dir wird sich
nichts in den Weg stellen, solange ich ein Wörtchen
mitzureden habe.
Er fuhr dahin, wo die anderen Chauffeure parkten, und
stieg aus, um sie zu begrüßen. Heute sprach alles über
Abigail. Er bekam mit, wie der Fahrer eines
Kabinettmitglieds sagte: »Senatorin Jennings hat den
Posten praktisch in der Tasche.«
›Abby, du hast es schon fast geschafft, Mädchen‹, dachte
er voll Begeisterung.
Abby blieb über eine Stunde fort, daher blieb ihm viel
Zeit, die Zeitung zu lesen.
In Washington las fast jeder, was die Klatschtante Gina
Butterfield schrieb. Heute stand über ihren Meldungen
eine Schlagzeile, die über beide Mittelseiten ihres Ressorts
lief. Toby las sie, las sie erneut und wollte einfach nicht
wahrhaben, was er sah. Die Schlagzeile lautete: ADAMS’
TODESHAUS SCHAUPLATZ DER
TODESDROHUNGEN. SENATORIN ABIGAIL
JENNINGS MITBETROFFEN.
Die ersten beiden Absätze des Berichts waren fett
gedruckt:
Pat Traymore, der schnell Karriere machenden jungen
Fernsehjournalistin, die von Potomac Cable beauftragt
wurde, eine Fernsehsendung über Senatorin Jennings zu
machen, ist in Briefen, Anrufen und bei einem Einbruch
mit dem Tode gedroht worden, falls sie die Arbeit an der
Sendung fortsetzt.
Zu Gast auf der exklusiven Heiligabend-Party bei
Botschafter Cardell, gestand die entzückende Pat, daß in
dem von ihr gemieteten Haus vor vierundzwanzig Jahren
das Ehepaar Adams durch Mord beziehungsweise
Selbstmord zu Tode kam. Pat behauptete, die düstere
Vergangenheit des Hauses störe sie nicht, aber andere
Gäste, die schon lange in der Nachbarschaft wohnen,
zeigten sich nicht so ungerührt …
Der Rest der Spalte berichtete detailliert über den Tod der
Adams’. Daneben waren stark vergrößerte
Archivaufnahmen von Dean und Renée Adams, das
schaurige Bild der in Decken verschnürten Leichen, eine
Nahaufnahme ihrer kleinen Tochter, wie sie in blutige
Bandagen gehüllt aus dem Haus getragen wurde. Unter
diesem Bild stand:
»SECHS MONATE SPÄTER VERLOR KERRY
ADAMS IHREN HELDENHAFTEN KAMPF UMS
ÜBERLEBEN.«
Der Artikel lief auf eine Umverteilung der Schuld
hinaus:
Patricia Remington Schyler, die vornehme Mutter der
Toten, beharrte darauf, daß der Kongreßabgeordnete
Adams seelisch labil war und seine prominente Gattin
vorhatte, sich von ihm scheiden zu lassen. Aber etliche
alteingesessene Nachbarn glauben, daß Dean Adams
vielleicht zu Unrecht beschuldigt wurde, daß es Renée
Adams war, die in jener Nacht die Waffe auf ihn richtete.
»Sie war richtig vernarrt in ihn«, erzählte mir eine
Bekannte,
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