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Das Haus Am Potomac

Das Haus Am Potomac

Titel: Das Haus Am Potomac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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kommen wollte oder so.« Sie dachte daran, wie er im
Schlaf geschrien hatte: »Schließen Sie Ihre Augen,
Mrs. Gillespie. Schließen Sie die Augen.« Vielleicht hatte
er etwas falsch gemacht, als er Mrs. Gillespie helfen
wollte, und sie machten ihm das zum Vorwurf.
»Ist er Ihnen in letzter Zeit verändert vorgekommen –
nervös oder so?«
»Er ist der netteste Mensch, den ich kenne. Sein ganzes
Leben ist Aufopferung für Hilfsbedürftige. Übrigens hat
man ihn gerade im Pflegeheim gebeten, nach Tennessee
zu gehen und dort auszuhelfen.«
Der Detective lächelte. »Wie alt sind Sie, Miss
Stevens?«
»Vierunddreißig.« Er machte ein überraschtes Gesicht.
»So alt sehen Sie gar nicht aus. Den
Einstellungsunterlagen zufolge ist Arthur Stevens
neunundvierzig.« Er machte eine Pause, dann fuhr er
freundlich fort: »Er ist nicht Ihr richtiger Vater, nicht
wahr?«
Bald würde er sie mit Fragen festnageln. »Er war früher
Gemeindepfarrer, beschloß dann aber, sich ganz der
Krankenpflege zu widmen. Als ich mal sehr krank war
und niemanden hatte, hat er mich zu sich genommen.«
Jetzt würde er sie fragen, wie sie wirklich hieße. Aber
das tat er nicht.
»Ich verstehe. Miss … Miss Stevens, wir möchten gerne
mit, äh … Vater Stevens reden. Wenn er sich bei Ihnen
meldet, würden Sie mich dann anrufen?« Er gab ihr seine
Karte. DETECTIVE WILLIAM BARROTT. Sie konnte
spüren, wie er sie forschend betrachtete. Wieso stellte er
ihr keine weiteren Fragen, was sie selbst und ihr Vorleben
betraf?
Dann war er fort. Sie blieb allein in dem Privatbüro
sitzen, bis Opal hereinkam.
»Gloria, ist was passiert?«
Opal war eine gute Freundin, die beste, die sie je hatte.
Opal hatte ihr geholfen, sich selbst wieder als Frau zu
empfinden. Opal drängte sie immer, auf Parties zu gehen,
sagte, ihr Freund würde ihr einen Begleiter besorgen. Sie
hatte immer abgelehnt.
»Gloria, was ist los?« fragte Opal noch einmal. »Du
siehst schaurig aus.«
»Nein, es ist nichts passiert. Ich habe Kopfschmerzen.
Meinst du, ich könnte nach Hause gehen?«
»Natürlich; ich werde die Sachen für dich zu Ende
schreiben. Gloria, wenn ich etwas für dich tun kann …«
Glory blickte in das bekümmerte Gesicht ihrer Freundin.
»Nun nicht mehr, aber ich danke dir für alles.«
Sie ging zu Fuß nach Hause. Es waren zwar fünf Grad
über null, aber die feuchte Kälte drang durch ihren Mantel
und die Handschuhe. Die Wohnung mit ihren schäbigen
gemieteten Möbeln wirkte merkwürdig leer, als wäre zu
spüren, daß sie nicht mehr hierher zurückkämen. Sie ging
an den Einbauschrank im Flur und holte sich den
ramponierten schwarzen Koffer, den Vater auf dem
Trödelmarkt gekauft hatte. Sie packte das Wenige, was sie
an Kleidung besaß, hinein, ihre Kosmetiksachen und das
neue Buch, das Opal ihr zu Weihnachten geschenkt hatte.
Der Koffer war nicht groß, und sie schaffte es nur mit
Mühe, ihn zu schließen.
Noch etwas mußte mit – ihre Raggedy Ann -Puppe. In der
Nervenklinik hatte der Psychiater sie aufgefordert, ihm ein
Bild zu malen, wie sie sich fühlte, aber das hatte sie nicht
gekonnt. Die Puppe hatte zusammen mit anderen auf
einem Regal gesessen, und er hatte sie ihr gegeben.
»Glauben Sie, Sie könnten mir zeigen, wie diese Puppe
aussähe, wenn sie in Ihrer Lage wäre?«
Es war nicht schwer gewesen, die Tränen zu malen, den
verschreckten Ausdruck um die Augen hinzubekommen
und den Zug um den Mund zu verändern, so daß ihm statt
nach Lachen nach Weinen zumute zu sein schien.
»So schlimm?« hatte der Arzt gefragt, als sie fertig war.
»Noch schlimmer.«
Oh, Vater, dachte sie, ich wünschte, ich könnte
hierbleiben und warten, bis du mich anrufst. Aber sie sind
dabei, mir auf die Schliche zu kommen. Wahrscheinlich
läßt dieser Detective mich gerade jetzt überprüfen. Ich
kann nicht länger weglaufen. Ich muß mich stellen,
solange ich noch den Mut dazu habe. Vielleicht rechnet
man mir das als strafmildernd an, wenn man mich neu
verurteilt.
Doch ein Versprechen konnte sie halten. Miss Langley
hatte sie gebeten, diese berühmte Patricia Traymore vom
Fernsehen anzurufen, bevor sie etwas unternahm. Das tat
sie jetzt, erzählte ihr, was sie vorhatte, und hörte sich
teilnahmslos Pats gefühlvolle Beschwörungen an.
Um drei Uhr verließ sie schließlich das Haus. Unten auf
der Straße parkte ein Auto. Darin saßen zwei Männer.
»Das ist sie«, sagte der eine. »Sie hat mich angelogen,
sie will sich

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