Das Haus an der Düne
wir uns ja noch nicht mit J. befasst.»
«Mit I?»
«Ja. Die letzte Person auf meiner Liste. Der rätselhafte Außenseiter. Angenommen, J. wäre gestern Abend aus irgendeinem Grund, der mit Ellen zu tun hat, ins Haus gekommen. Er (ich gehe davon aus, es ist ein Er) versteckt sich in einer Geheimkammer in diesem Zimmer. Ein Mädchen geht an ihm vorbei, das er für Nick hält. Er folgt ihr hinaus – und erschießt sie. Non – c’est idiot! Und außerdem wissen wir jetzt, dass es hier gar kein Versteck gibt. Ellens Entscheidung, gestern Abend in der Küche zu bleiben, war reiner Zufall. Kommen Sie, halten wir lieber Ausschau nach dem Testament von Mademoiselle Nick.»
Im Salon befanden sich keinerlei Dokumente oder Papiere. Wir gingen weiter in die Bibliothek, einen ziemlich dunklen Raum, dessen Fenster sich zur Einfahrt öffneten. Hier stand ein großer, altmodischer Sekretär aus Nussbaum. Bis wir alles durchstöbert hatten, dauerte eine Weile. Es herrschte ein buntes Durcheinander. Rechnungen und Quittungen traut vereint, dazwischen Einladungen, Mahnbriefe und Briefe von Freunden.
«Wir werden ganz methodisch vorgehen und Ordnung in diese Sache bringen», sagte Poirot in strengem Ton.
Und er hielt Wort. Eine halbe Stunde später lehnte er sich befriedigt zurück. Alles war in ordentliche Häufchen gestapelt.
«C ’est bien, ca. Das Ganze hat wenigstens ein Gutes. Wir mussten alles so gründlich durchsehen, dass uns eigentlich nichts entgangen sein könnte.»
«Nein, wahrhaftig nicht. Leider war die Suche nicht sehr ergiebig.»
«Vielleicht ist das etwas für uns.»
Er schob mir einen Brief herüber. Er war in einer großen, weit auseinandergezogenen, kaum entzifferbaren Handschrift verfasst.
Darling – die Party war himmlisch. Fühle mich heute ziemlich elend. Du hast gut daran getan, das Zeug nicht anzurühren – lass bloß die Hände davon, Darling. Es ist verdammt hart, d a mit aufzuhören. Ich schreibe dem Freund, damit er rasch für Nachschub sorgt. Das Leben kann die Hölle sein!
Deine Freddie
«Von letztem Februar», las Poirot nachdenklich. «Natürlich, sie nimmt Rauschgift. Ich habe das sofort gewusst, als ich sie sah.»
«Wirklich? Ich wäre nie auf diese Idee gekommen.»
«Es ist ziemlich eindeutig. Schauen Sie sich nur ihre Augen an. Und dann die außergewöhnlichen Stimmungsschwankungen. Manchmal ist sie ganz nervös, wie auf dem Sprung – und dann wieder ganz leblos – apathisch.»
«Haben Drogen nicht auch Einfluss auf die Moral eines Menschen?»
«Das ist unvermeidlich. Doch ich glaube nicht, dass Madame Rice dem Zeug verfallen ist. Sie steht erst am Anfang der Sucht – nicht am Ende.»
«Und Nick?»
«Keinerlei Anzeichen. Vielleicht hat sie aus lauter Übermut hie und da auf einer Party etwas ausprobiert, aber sie ist sicher nicht abhängig.»
«Da bin ich aber froh.»
Ich erinnerte mich plötzlich daran, dass Nick über Frederica gesagt hatte, sie sei manchmal nicht ganz sie selbst. Poirot nickte und tippte mit dem Finger auf den Brief in seiner Hand.
«Ja, das hat sie ganz zweifellos damit gemeint. Nun, ansonsten haben wir hier, wie es so schön heißt, jedenfalls eine Niete gezogen. Gehen wir hinauf in Mademoiselles Zimmer.»
In Nicks Zimmer befand sich ebenfalls ein Schreibtisch, in dem aber vergleichsweise wenig aufbewahrt wurde. Wieder keine Spur von einem Testament. Wir fanden die Zulassungspapiere für ihren Wagen und einen Gewinnanteilschein, der einen Monat alt war. Sonst gab es nichts von Bedeutung.
Poirot seufzte betont übertrieben.
«Diese jungen Mädchen von heute – sie sind nicht mehr richtig erzogen. Die Methode und Ordnung fehlen in ihrer Erziehung. Sie ist ganz reizend, unsere Mademoiselle Nick, aber ein Schussel. Ja, sie ist ganz bestimmt ein Schussel.»
Jetzt hatte er sich den Inhalt einer Kommodenschublade vorgenommen.
«Aber, Poirot», wandte ich peinlich berührt ein, «da ist doch sicher ihre Unterwäsche drin.»
Er sah mich verdutzt an. «Und warum auch nicht, mein Freund?»
«Finden Sie nicht – ich will sagen – wir können doch unmöglich…»
Er brach in schallendes Gelächter aus. «Mein armer Hastings, Sie sind ganz eindeutig ein Überbleibsel des viktorianischen Zeitalters. Mademoiselle Nick, wäre sie hier, würde es Ihnen selbst sagen. Mit großer Wahrscheinlichkeit würde sie Ihnen sogar eine schmutzige Fantasie vorwerfen. Heutzutage empfinden die jungen Damen ihre Unterwäsche nicht als peinlich. Die Untertaille
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