Das Haus an der Düne
und das Hemdhöschen gelten nicht mehr als sündiges Geheimnis. Am Strand wird man sich dieser Kleidungsstücke nur wenige Schritte von Ihnen entfernt entledigen. Und was ist schon dabei?»
«Trotzdem sehe ich keine Notwendigkeit für Ihr Tun.»
« Ecoutez, mon ami. Ganz offensichtlich sperrt Mademoiselle Nick ihre Schätze nicht irgendwo ein. Wenn sie etwas vor den Augen der Welt verstecken wollte – wo würde sie das wohl tun? Unter den Strümpfen und Unterröcken. Und was haben wir da?»
Er hielt ein Päckchen mit Briefen in der Hand, die mit einem verblichenen rosa Band zusammengebunden waren.
«Die Liebesbriefe von Monsieur Michael Seton, wenn ich mich nicht irre.»
Ganz ruhig band er die Schleife auf und nahm einen Brief aus seinem Umschlag.
«Poirot!», rief ich entsetzt. «Das können Sie nun wirklich nicht tun. Das verletzt die Spielregeln.»
«Das ist kein Spiel, mon ami. » Seine Stimme klang plötzlich schneidend und streng. «Ich versuche, einen Mörder zu überführen.»
«Ja, aber Privatbriefe…»
«Können mir vielleicht nicht weiterhelfen – andererseits vielleicht eben doch. Ich muss jede Gelegenheit nutzen, mein Freund. Kommen Sie, wir können sie genauso gut zusammen lesen. Zwei Paar Augen sehen oft mehr als eins. Trösten Sie sich mit dem Gedanken, dass die treue Ellen sie vermutlich in- und auswendig kennt.»
Die Sache gefiel mir nicht. Und doch war mir klar, dass es Poirot sich nicht leisten konnte, zimperlich zu sein, und so beruhigte ich mein Gewissen mit Nicks letzten Worten: «Sehen Sie sich nur alles an, was Sie wollen.»
Die Briefe erstreckten sich über mehrere Monate. Der erste war vom letzten Winter.
Neujahrstag
Liebling, es ist Neujahr und ich habe gute Vorsätze gefasst. Es scheint zu schön, um wahr zu sein – du liebst mich wirklich. Du hast mein ganzes Leben verändert. Ich glaube, es war Liebe auf den ersten Blick. Frohes neues Jahr, mein liebstes Mädchen.
Auf immer,
dein Michael.
8. Februar
Meine Liebst e! Wie ich mir wünsche, dich öfter zu sehen. Unsere Lage ist ziemlich verzwickt, nicht wahr? Mir ist dieses verhasste Versteckspiel zuwider, aber ich habe dir ja erklärt, wie die Dinge stehen. Ich weiß, wie sehr du Lügen und Heimlichtuerei hasst. Mir geht es genauso. Aber mal ehrlich, es würde alles auf den Kopf stellen. Onkel Matthew hat nun einmal die fixe Idee, dass frühzeitige Ehen die Karriere eines Mannes zerstören. Als ob du, mein süßer Engel, je die meinige zerstören könntest!
Kopf hoch, mein Liebling. Alles wird gut werden.
Dein Michael.
2. März
Ich weiß, ich sollte dir nicht zwei Tage hintereinander schreiben. Aber ich muss es einfach tun. Als ich gestern in der Luft war, musste ich an dich denken. Ich flog über Scarborough. Geliebtes, gesegnetes Scarborough – der herrlichste Ort auf der Welt. Lie b ling du weißt gar nicht, wie sehr ich dich liebe !
Dein Michael
18. April
Liebstes, alles ist in Ordnung. Definitiv. Wenn ich die Sache hier glücklich zu Ende bringe (und das werde ich), kann ich Onkel Matthew gegenüber entschieden auftreten. Und wenn ihm das nicht passt – nun, was kümmert’s mich? Es ist anbetungswürdig von dir, dich derart für meine technischen Ausführungen über den « Albatros » zu interessieren. Ich sehne mich danach, dich einmal mit hinaufzunehmen. Eines Tages ist es so weit! Und bitte, mach dir um Gottes willen keine Sorgen um mich. Die Sache ist halb so riskant, wie sie klingt. Mir kann einfach nichts zustoßen, jetzt wo ich weiß, dass du mich liebst. Alles kommt in Ordnung mein Schatz.
Vertraue deinem Michael.
20. April
Du Engel! Jedes Wort von dir ist wahr und dieser Brief wird mir stets lieb und teuer sein. Ich bin nicht annähernd gut genug für dich. Du bi st so anders. Ich bete dich an.
Dein Michael
Der letzte Brief trug kein Datum.
Liebste! Nun, morgen breche ich auf. Fühle mich blendend und voller Erwartung und total siegesgewiss. Die alte « Albatros » ist auf Vordermann gebracht. Sie wird mich nicht im Stich lassen. Kopf hoch, mein Schatz und mache dir keine Sorgen. Natürlich besteht ein gewisses Risiko, aber das ganze Leben ist ein einziges Risiko. Übrigens hat jemand den Vorschlag gemacht, ich solle ein Testament machen (taktvoller Bursche – meinte es aber gut), also habe ich es getan – auf ein halbes Blockblatt – und es an den a l ten Whitfield geschickt. Ich hatte keine Zeit mehr, selbst hinz u gehen. Jemand hat mir mal von einem
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