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Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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sehen, was man sehen will, und damit handelst du dir haufenweise Scherereien ein. Wie in der Ehe, zum Beispiel. Nein, ich meine, wissen, was dasein muß, und dann weitermachen, als würde man es sehen, obwohl man’s nicht sieht.«
    »Als würde man über eine unsichtbare Brücke gehen«, warf Wield ein.
    Dalziel erwog diesen Gedanken, dann klappten seine Lider auf wie die Scheinwerferabdeckung eines Sportwagens, und sein breites Gesicht hellte sich auf.
    »Das kommt schon eher hin. Ja. Wenn auch nicht komplett unsichtbar, sondern eher ein Baumwollfaden, den du siehst, und du mußt dir sagen, es ist eine Brücke, und sie betreten.«
    »Und wenn man sich irrt?« wandte Pascoe ein.
    »Dann landest du im Dreck, aber du bist wenigstens weich gelandet«, meinte Dalziel. »Mir ist jetzt klar, daß Kelly Cornelius irgendwas mit dem zu tun hat, was deiner besseren Hälfte passiert ist.«
    »Kann sein«, räumte Pascoe überrascht ein. »Du weißt ja, daß ich diese Möglichkeit immer in Betracht gezogen habe, obwohl du dich, wenn ich mich recht erinnere, wenig mit dem Gedanken anfreunden konntest …«
    »Da liegst du daneben, mein Junge. Du siehst, was ist, oder bestenfalls, was du gern sehen möchtest: daß jemand versucht, dir Angst einzujagen, damit du Cornelius auf Kaution gehen läßt. Aber eigentlich hat dir doch nie einer nahegelegt, das zu tun, oder?«
    »Nein, aber sie ist frei, oder?«
    »Ja, aber das hat sie mir und nicht dir zu verdanken. Und mich hat keiner in den Schwitzkasten genommen.«
    »Das ist richtig, Chef.« Pascoe faßte das als Eingeständnis auf, daß der Dicke sich absichtlich so dumm gestellt hatte. »Und warum hast du das getan, Andy?«
    »Wegen dir hab ich’s getan, mein Junge. Nein, jetzt werd bloß nicht sentimental. Das war nicht, weil ich Ellie damit einen Gefallen tun wollte, sondern weil, als die ganze Scheiße angefangen hat, der Fall Cornelius ganz oben auf deiner Liste der Probleme stand, die damit zusammenhängen könnten. Warum?«
    »Wie bitte? Das haben wir doch alles schon einmal durchgekaut …«
    »Ja, aber überleg doch mal selber – diese ganze Geschichte, daß jemand Kelly freikaufen will, damit er sie umlegen kann. Wie überzeugend klingt die eigentlich in deinen Ohren?«
    »Nicht besonders, aber auszuschließen ist es noch lange nicht«, wehrte sich Pascoe.
    »Ach ja? Hör dich doch mal selber reden. So, wie du das vorbringst, kannst du noch nicht mal ’nen Barkeeper überzeugen, daß du alt genug bist, ein Radler zu bestellen. Aber es ist Tatsache, daß du diese Idee im Kopf hattest, der Fall Cornelius hinge irgendwie damit zusammen. Also hab ich mir überlegt, vielleicht ist mehr an der Sache dran, als du sagst. Nein, jetzt schmoll mal nicht, ich will nicht behaupten, daß du absichtlich mit was hinterm Berg hältst. Es ist nur, weil du von jeher ein bißchen geneigt warst, in deine Privatwelt abzuwandern, und manchmal mußte ich dich auf den rechten Weg zurückbringen. Aber vielleicht hab ich ja des Guten zuviel getan, so daß du diesmal anfängst, Gründe zusammenzuschustern, die ich deiner Meinung nach hören will.«
    Pascoe warf Dalziel einen mißtrauischen Blick zu. Derart tiefsinnige Selbstbetrachtungen kamen bei ihm nur vor, wenn er gut abgefüllt war (wozu bei seinen körperlichen Dimensionen zwei Gallonen Bier nötig waren), wenn überhaupt. Und da die morgendliche Plauderei in Dalziels Büro stattfand, und nicht etwa im
Black Bull,
war der Dicke stocknüchtern, falls er keinen Whisky auf seine Cornflakes gegossen hatte.
    Also blieb ihm nichts anderes übrig, als Dalziel ernst zu nehmen. Es gab Leute, die mit leerem Blick auf nackte Wände starrten, weil sie Dalziel nicht ernst genommen hatten.
    Außerdem hatte er den Eindruck, daß der Dicke mehr wußte, als er preisgab. Das störte ihn nicht. Dalziel brauchte keinen Dolmetscher und würde schon mit der Sprache herausrücken, wenn es ihm genehm war. So war es immer gewesen, und so würde es immer sein, bis ans Ende aller Tage, Amen.
    Laut sagte er: »Einen Moment.«
    Er dachte daran, wie er Kelly Cornelius bei dem Unfall auf dem Snake Pass zum ersten Mal getroffen hatte. Er besaß ein klares Erinnerungsvermögen, und wenn jemand ihn stark beeindruckt hatte, war das Erinnerungsbild so intensiv wie das ursprüngliche Erlebnis. Kelly Cornelius hatte zweifellos einen solchen Eindruck bei ihm hinterlassen. Es war nicht nur die erotische Anziehung, obwohl auch das eine Rolle spielte. Es war die Lebendigkeit, die

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