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Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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eine Herde Schafe.
    Kurze Zeit später erreichte der Audi das Ende des Feldwegs und hielt vor dem Tor, auf dem mit blättriger schwarzer Farbe geschrieben stand:
Nosebleed Cottage – Warnung
     
    »Wovor?« fragte Ellie.
    »Vor dem Stier? Vor Feenie Macallum? Keine Ahnung, es war schon unleserlich, als wir das Haus gekauft haben, aber für die nächsten Tage dürfte es sich auf Tig beziehen. Rosie, wärst du so nett, das Tor zu öffnen.«
    Rosie sprang aus dem Auto und stieß das Tor auf, und Ellie richtete ihr Augenmerk auf das Cottage selbst.
    Auf jeden Fall war es, wie sie vermutet hatte, ein bißchen stattlicher als eine Hütte, aber ihre Phantasie hatte das Understatement überschätzt, so daß das graue, flechtenüberzogene, rauhverputzte Haus, das nun vor ihr lag, irgendwie enttäuschend wirkte. Aus irgendeinem Grund hatte sie mit einem Sandsteingebäude mit Spitzbogenfenstern und grünen Fensterläden, mit Blumenkästen, einer Rosenlaube und einem nierenförmigen Swimmingpool gerechnet … nein, der Swimmingpool war von jeher ein Phantasiegebilde gewesen, aber so, wie körperliche Selbstverachtung nur bei einem wirklich buckligen Männlein akzeptabel war, hätte Daphnes untertreibende Beschreibung von Nosebleed sich auf ein Objekt beziehen müssen, das etwas näher an die Kategorie »Traumhaus« herankam, fand Ellie.
    »Na, was sagst du?« fragte Daphne, als sie ihr Gepäck aus dem Auto holten.
    »Schön. Ich meine, wunderbar. Sehr rustikal.«
    »Ja, wir wollten es nicht kaputtsanieren. Es ist viel ehrlicher, den eigenen Wurzeln treu zu bleiben, so in dem Sinne. Ich dachte mir, daß dir das gefällt.«
    Ellie lächelte tapfer, aber plötzlich fiel ihr wieder ein, daß sie gelesen hatte, wie spartanisch die obere Mittelschicht es mit ihren Vergnügungen hielt. Für sie hieß zurück zur Natur wirklich
zurück zur Natur.
Petroleumlampen, Körperpflege an der Wasserpumpe im Hof, Kochen über offenem Feuer, Nächtigen auf Holzbrettern unter kratzigen Wolldecken, früh heraus und dann eine lange Wanderung, auf der man sich mit Beeren am Wegesrand und einem Trunk aus einer Quelle erfrischte, deren Wasser so trüb war, daß man die Leberegel nicht sah …
    Jetzt übertrieb sie schon wieder, als wolle sie sich beweisen, daß sie wirklich eine phantasiebegabte Autorin war. Aber wer sich einer hyperbolischen Ausdrucksweise bediente, hatte deshalb nicht automatisch unrecht.
    Rosie und Tig jedenfalls waren begeistert, sie tobten über den kopfsteingepflasterten Hof, kraxelten über eingestürzte, brennesselgeschmückte Mauern; der Hund schnappte nach einem verknoteten Seil, das von einer hohen Eiche baumelte, das Kind zerrte am Arm einer eisernen Pumpe über einem Steintrog … oje, die gefürchtete Pumpe! Ellie sank das Herz. Dann bemerkte sie, daß das gräßliche Gerät vor Rost starrte und sich der Schwengel nicht bewegen ließ. Im selben Augenblick schloß Daphne die abweisend wirkende massive Eingangstür auf – sie sah aus, als hätten Generationen von Heathcliffs versucht, sie einzutreten – und sagte: »Kommt rein. Trautes Heim, Glück allein.«
    Und Ellie trat aus dem achtzehnten Jahrhundert in Innenräume, die ein Interview in
Schöner Wohnen
wert gewesen wären: weißgekalkte Wände, geschmückt mit alten Stickereien, ein rustikaler Geschirrschrank mit Delfter Fayencen, Webteppiche auf dem gefliesten Fußboden, ein riesiger offener Kamin, in dem ein mit Blumen und Laub gefüllter Messingkohleneimer prangte, ein Fernseher mit Großbildschirm sowie eine Stereoanlage mit Quadro-Lautsprechern, liebevoll polierte Antiquitäten – sogar die Heizkörper waren in einem Eichenton gestrichen.
    »Zentralheizung«, bemerkte Ellie erstaunt. »Ihr habt Zentralheizung.«
    »Aber ja. Ich weiß, das erregt dein Mißfallen, aber die Wände sind so dick, daß es hier im Haus selbst bei sommerlichen Temperaturen recht kühl ist. Hier geht’s in die Küche.«
    Dort gab es natürlich einen Aga, ölgefeuert, und einen riesigen Tisch, der wohl an Ort und Stelle zusammengebaut worden war, denn er hätte weder durch die Türen noch durch die Fenster gepaßt. Aber Ellie wurde von diesen Überlegungen durch ein am Tisch sitzendes koboldartiges Wesen abgelenkt, das dem blutigen Geschäft nachging, mit Hilfe eines Hackmessers ein kleines Säugetier zu zerlegen.
    »Guten Tag, Mrs. Stonelady. Sie haben also meine Nachricht erhalten? Wunderbar, Sie bereiten uns einen Ihrer köstlichen Eintöpfe.«
    Das Gesicht des Wesens, dessen

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