Das Haus an der Klippe
Frau, wie alt war die denn?«
»Das habe ich mich auch gefragt. In seinem Alter kommt einem wahrscheinlich jeder über zwanzig alt vor, der nicht aussieht wie Kelly Cornelius oder Michael Owen. Ich wollte von ihm wissen, ob sie älter war als ich, zum Beispiel. Er dachte eine Weile nach und meinte dann: ›Kann schon sein.‹«
Pascoe beschlich ein unbehagliches Gefühl, genau wie damals, als er nach der versuchten Entführung von Ellie den Impuls verspürt hatte, Cornelius im Auge zu behalten. Ihm war klar, daß er auch jetzt die Ursache dafür nur entdecken konnte, wenn er die Sache mal aus einem anderen Blickwinkel betrachtete.
Ein anhaltendes Klingeln, das nur Dalziel ankündigen konnte, verhinderte fürs erste weitere Überlegungen.
»Tut mit leid, daß ich so spät komme. Mußte noch mal zurück in den Laden. He, jetzt könnte ich eine Tasse Tee und was zu futtern vertragen.«
Pascoe setzte Tee in erforderlicher Stärke auf und brachte dann nach kurzem Zögern die letzten fünfzehn Zentimeter seines geliebten Walnußkuchens zum Vorschein.
Er hatte sich darauf gefreut, sich davon vor dem Schlafengehen eine Scheibe zu gönnen, im Bett, mit einer Tasse heißer Schokolade. Nichts konnte ihm Ellies warmen, weichen Körper an seiner Seite ersetzen, aber Walnußkuchen, eine krümelige Angelegenheit, die sie sich im Schlafzimmer absolut verbeten hatte, war zumindest ein kleiner Trost.
Wield lehnte ab, was ihm Hoffnung machte. Aber der Dicke meinte: »Ja, warum nicht?« und säbelte sich selbst gut sieben Zentimeter herunter.
»Also«, sagte er, nachdem er einen walfischgerechten Bissen mit einer Sturzsee von heißem schwarzen Tee hinuntergespült hatte. »Wie kommt ihr voran?«
Wield wiederholte seine Geschichte, dann gab Pascoe einen kurzen Bericht über seine Nachforschungen, wobei er nach der Erwähnung des Autos eine Pause machte und auf einen Kommentar wartete.
»Gibt’ ne Menge blauer Golfs«, meinte Wield. »Könnte reiner Zufall sein.«
»Reiner Zufall ist, wenn ich mit Maggie Thatcher ins Bett falle«, sagte Dalziel. »Klingt ja ungereimter als ein modernes Gedicht, und mindestens so unverständlich. Wenn sie doch ihr Auto hatte, warum hat sie sich dann auf ein Fahrrad geschwungen? War das vielleicht geplant?«
»Nicht im Detail, denke ich. Aber sie wußte wohl, daß sie irgendwann untertauchen würde, also hat sie ihre Lieblingsfotos mitgenommen, nur für den Fall, daß sie nicht zurückkommen würde. Als ihre Komplizin ihr den Plan mit dem Fahrrad vorschlug, hat sie die Gelegenheit beim Schopf gepackt. In aller Seelenruhe hat sie erst mal einen Einkaufsbummel gemacht, ein wenig weibliche Überlebensausrüstung eingekauft, dazu einen Rucksack, um die Sachen zu transportieren, während die alte Schachtel das Fahrrad auf der Damentoilette untergestellt hat. Dann ist sie über alle Berge, und Sempernels Männer guckten ihr verdattert hinterher. Das hat ihr bestimmt Spaß gemacht.«
»Ja. Scheint ein kluges Mädel zu sein«, sagte Dalziel. »Klüger als ihr zwei Knaben, wenn das alles ist, was ihr rausgefunden habt.«
Wield und Pascoe wechselten einen Blick, dann meinte der Chief Inspector freundlich: »Dafür, daß wir bei Null angefangen haben, war das doch gar nicht so schlecht, Chef.«
»Ihr habt nicht bei Null angefangen, mein Junge. Ihr habt damit angefangen, daß sie verschwunden ist, und wie’s aussieht, habt ihr auch damit aufgehört. Hat diese ganze Hobbydetektivarbeit, die ihr da geleistet habt, euch auch nur die leiseste Ahnung vermittelt, wo sie jetzt sein könnte? Nein, macht euch nicht die Mühe zu antworten. Das kann einen Mann ja in die Freßsucht treiben.«
Als wolle er demonstrieren, wie sehr er unter ihrer Inkompetenz litt, griff er sich das verbliebene Stück Kuchen und stopfte es sich in den Mund.
Hoffentlich kriegt er wenigstens Bauchschmerzen, dachte Pascoe mißmutig.
»Na gut, Chef«, sagte er. »Wenn du fertig bist mit Kauen, kannst du uns ja vielleicht erzählen, was du rausgefunden hast?« Da war bestimmt etwas. Der Dicke spöttelte nie darüber, daß andere mit leeren Händen dastanden, wenn er nicht selbst ein paar Trophäen präsentieren konnte.
Noch ein Schluck Tee, dann begann er: »George Olleshaw. Ich wußte doch, daß es sich lohnt, ihn unter die Lupe zu nehmen.«
»Eigentlich«, warf Pascoe ein, »war es ja meine Idee, ihn mal unter die Lupe zu nehmen. Ist er ein Komplize? Könnte er die Flucht organisiert haben? He, Wieldy, diese alte Frau da im Park,
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