Das Haus an der Klippe
hätte dran denken sollen.«
Er lächelte über ihren Sarkasmus und fuhr dann ernst fort: »Als sie Rosie ins Spiel brachten, war das sicher sehr schlimm.«
»Schlimm? Ich hatte das Gefühl, die Welt bricht zusammen. Es war, wie wenn man die schrecklichste Nachricht erhält, die man sich überhaupt vorstellen kann, und dabei noch weiß, daß man an allem selbst schuld ist.«
Sie äußerte das mit einer ziemlich übertriebenen Heftigkeit.
»Du an allem schuld? Also, Mädel, ich weiß gar nicht, wie du auf so was kommst«, sagte er und sah sie dabei forschend an.
Wäre Dalziel besser auf Zack gewesen, hätte sie sich vielleicht zu einer Erklärung verleiten lassen.
Vielleicht zu etwas wie:
Ich war so erleichtert an diesem Morgen, Rosie nicht begleiten zu müssen, zu wissen, daß Peter auf sie aufpaßt, daß ich mich wenigstens einen Tag lang nicht um sie sorgen muß. Doch nicht nur um ihretwillen, und nicht einmal weil ich wahrscheinlich mit dem Rest selbst fertigwerden konnte, sondern weil mir in dem Moment, als wir sie beinahe verloren hätten, klar wurde, was ich schon vorher gewußt haben muß, mir aber nie eingestanden habe, nämlich daß meine Tage als Einhandseglerin zu Ende waren, daß ich in eine Drei-Mann-Crew zu einer lebenslangen Reise auf den verheißungsvollen Meeren der absoluten Liebe gepreßt worden war. Wenn sie allerdings so bedingungslos ist, wie kommt es dann, daß es irgendwo einen kleinen Teil von mir gibt, der davon nicht durchdrungen ist, wie die Ferse des Achilles? Entschuldigung für diese Vermischung von Metaphern, das liegt wahrscheinlich an der Geschichte, die ich schreibe. Aber das ist eine andere Geschichte. Nein, was ich sagen will, ist, egal wie sehr ich es zu verdrängen versuche, da ist etwas in mir, das manchmal danach verlangt, frei zu sein, das eine nostalgische Sehnsucht nach den längst vergangenen Tagen der freien Wahl empfindet, dem diese Liebe nicht wie ein Geschenk, sondern beinahe wie eine Last vorkommt, nicht als ein Privileg, sondern als Verpflichtung. Vielleicht bin ich nur eine selbstsüchtige Person, die gemerkt hat, daß sie nie mehr selbstsüchtig wird sein können. Ob es anderen ähnlich geht? Bin ich ein Ungeheuer? Deshalb war ich so schnell bereit, ihnen zu glauben, deshalb fühlte ich mich so schuldig. Es war, als hätte Gott sich gedacht, ich hätte die Botschaft beim letzten Mal nicht laut und deutlich genug vernommen und müsse noch eine Dosis davon erhalten, um zur Besinnung zu kommen.
Etwas in der Art, vielleicht. Aber wahrscheinlich doch nicht, selbst wenn Novello und ihr kleines Notizbuch nicht dabeigewesen wären.
»Nur eine Redewendung, Andy«, sagte sie.
»Du wärst also mit den beiden mitgegangen?« fragte der Dicke.
»Überallhin. Wenn sie nichts Genaueres gesagt hätten, dann wäre ich in dieses Auto eingestiegen und … und was, Andy? Was hatten die mit mir vor?«
»Tja, das wissen vorerst nur die alleine, das müssen wir noch herausfinden«, sagte Dalziel. »Wie bist du ihnen also auf die Schliche gekommen?«
»Das habe ich dir doch schon erzählt!«
»Ja, aber Erzählen ist wie Pinkeln für einen Mann mit Prostataleiden: Du denkst, du bist alles los, und dann kommt immer noch ein bißchen.«
»Wer seine Worte so gut wählt, soll dies nicht vergebens tun«, bemerkte Ellie. »Also gut. Zuerst konnte ich an nichts anderes denken, als daß Rosie wieder krank ist. Dann haben sie gesagt, sie hätten versucht, Peter anzurufen, aber er sei nicht erreichbar. Beinahe hätte ich gesagt, natürlich, er ist ja auch im Bus!«
»Aber das hast du nicht gesagt? Warum nicht?«
»Ich weiß nicht. Ich glaube, ich war erst einmal viel zu geschockt, um etwas zu sagen, und das gab mir Zeit zum Nachdenken, glaube ich. Und plötzlich ging da ein richtiges Feuerwerk in meinem Kopf los. Nicht nur die Zeugen Jehovahs fahren keine dicken BMW s, dachte ich. Ich weiß zwar, daß die Gemeindesteuer erhöht worden ist, aber deshalb kann doch das Schulamt seine Angestellten noch lange nicht derart ausstaffieren? Entschuldigung. Es erscheint mir einleuchtend, versichere ich dir. Im selben Moment fiel mir auf, daß sie zwei- oder dreimal
er
gesagt hatten, als sie von der Schulleitung von Edengrove sprachen. Nun weiß aber doch jeder in diesem Schulbezirk, daß Edengrove eine Schulleiterin hat, Miss Martindale. Wer sie nicht kennt, muß wirklich ein Hohlkopf sein. Da habe ich mir gedacht, mach doch mal einen kleinen Test. Ich habe mir einen Mr. Johnson als
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