Das Haus an der Klippe
gute Entschuldigung für die Untätigen. Aber selbst wenn ihr Körper ihr sofort gehorcht hätte, wäre es ihr wohl kaum gelungen, so schnell ihren Hintern hochzukriegen, um noch etwas ausrichten zu können.
Aber Feenie konnte es schaffen, und sie schaffte es.
Es war saubere Arbeit, undramatisch und tödlich.
Ihr linker Arm schloß sich um den Stiernacken des kleinen Ajax, ihre rechte Hand packte seinen Unterkiefer, dann folgte eine abrupte Drehung und ein Knacksen. Als sie zurücktrat, sackte der Kolumbianer in sich zusammen und krachte auf den wackligen Stuhl, der sich endgültig in Feuerholz verwandelte.
»Ach je«, sagte Daphne mit großen Augen. »Und ich habe mit ihr wegen Geld gestritten.«
Ellie war jetzt aufgesprungen, um Wendy Woolley beizustehen. Aber deren Reaktion war in ihrer Art ebenso erstaunlich wie Feenies Intervention. Statt dazuliegen und sich den Schmerz zu verbeißen, bis jemand ihren blutenden Schenkel versorgte, war sie zu der Pistole gekrochen, die der kleine Ajax hatte fallen lassen, entfernte mit sachkundigem Griff das Magazin und überprüfte es. Das Ergebnis schien sie nicht gerade zu begeistern, und sie begann die Kleidung des Toten zu durchsuchen.
Wie Ellie aus persönlicher Erfahrung wußte, war keine besondere Schulung nötig, um einem Mann in die Eier zu treten, aber das sah verdächtig professionell aus.
Das fand Feenie auch.
»Ich hatte schon angefangen, mir über Sie Gedanken zu machen, meine Liebe«, meinte sie. »Was sind Sie eigentlich? Ein Spitzel?«
»Ich schlage vor, daß wir das später diskutieren«, erwiderte Wendy. »Scheiße. Der Idiot hat keine Reservemunition bei sich. Und in diesem Magazin ist nur noch ein Schuß. Gute Voraussetzungen für ein Pokerspiel.«
»Ich bin mehr für Rommé. Mrs. Aldermann, wären Sie so nett, an der Tür zu horchen und zu schreien, wenn Sie was hören? Ich glaube zwar nicht, daß sie etwas gemerkt haben. Wenn wir nicht mitbekommen, was unser Freund Jorge treibt, dann kann er uns sicherlich auch nicht hören. Lassen Sie uns mal Ihr Bein anschauen, Mrs. Woolley. Ellie, holst du bitte den Verbandskasten?«
Sie schnitt Wendys Rock auf und untersuchte die Wunde. »Glücklicherweise mehr der Hintern als der Oberschenkel«, sagte sie dann. »Ich sehe da etwas Metallisches. Am besten holen wir es raus. In dem Kasten müßte eine Pinzette sein, Ellie. Danke. Würde es Ihnen etwas ausmachen, die Pistole wegzulegen, Mrs. Woolley? Es wäre mir jetzt nicht angenehm, mit unserer einzigen Kugel erschossen zu werden, und das hier könnte ein bißchen weh tun.«
Nach dem Schweiß zu urteilen, der Wendy übers Gesicht lief, mußte es sogar ziemlich weh tun, aber abgesehen von einem Keuchen ertrug sie die Schmerzen schweigend.
Zuletzt trug Feenie die Achillessalbe auf, verband die Wunde und verkündete fröhlich: »Wenn das so weitergeht, brauchen wir bald Nachschub von Ihrer Salbe, Mrs. Stonelady.«
Die alte Bäuerin hatte unterdessen den leblosen Ajax begutachtet.
»Also der ist hin«, urteilte sie schließlich. »Dem haben Sie’s gegeben, Missus.«
»Ich weiß«, sagte Feenie. »in meiner Jugend hätte ich ihn auch einfach bewußtlos schlagen können, aber in meinem Alter sind die Alternativen begrenzt, fürchte ich. Da heißt es alles oder nichts, und unter den gegebenen Umständen mußte ich aufs Ganze gehen.«
Von der Tür her meldete sich Daphne: »Dieser deutsche Offizier, der Sie gestört hat, als Sie … Sie haben uns noch gar nicht erzählt, wie das ausgegangen ist.«
Feenie grinste.
»Ziemlich ähnlich, meine Liebe. So, wie dieser Kerl hier das Alter unterschätzte, hat der arme Fritz Nacktheit mit Harmlosigkeit verwechselt. Aber jetzt ist nicht der rechte Zeitpunkt, um Erinnerungen nachzuhängen. Mrs. Woolley, oder wie immer Sie heißen mögen, wo stecken Ihre Leute?«
Wendy versuchte keine Ausflüchte.
»Sie können nicht weit sein«, antwortete sie, »sie haben das Haus beobachtet.«
»Wie viele?«
»Nur drei.«
»Großartig. Zum ersten Mal in meinem Leben wünsche ich mir, daß hier Heerscharen von Spitzeln herumgeistern, und wir müssen uns mit dreien begnügen«, erwiderte Feenie. »Was werden sie voraussichtlich tun?«
»Ich weiß nicht«, gab Wendy zu. »Wahrscheinlich warten sie auf eine Nachricht von mir.«
»Und wie könnten sie Nachricht bekommen?« fragte Feenie hoffnungsvoll.
»Gar nicht. Es wäre möglich gewesen, wenn Sie zugelassen hätten, daß ich meine Handtasche mitnehme, in der sich mein
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