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Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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wenn er stürmte und toste.
    Wohlwollend lächelnd sagte Sempernel: »Sieht aus, als würden Sie hier die Entscheidungen treffen, Superintendent. Kommt, ihr beiden. Helft mir hinauf.«
    Geschoben von seinen Untergebenen, während ihn Dalziel hinaufzerrte, stieg Sempernel mühsam ein, um in die Schlacht zu ziehen.

Siebzehn
    Eine offizielle Beschwerde
    E llies Nase war nur angebrochen, wie Feenie feststellte, als sie mit sachkundigem Griff daran wackelte.
    »O Gott!« schrie Ellie. Wie man sich mit richtig gebrochener Nase fühlte, wollte sie sich lieber nicht vorstellen.
    Das Angebot, mit Mrs. Stoneladys Salbe behandelt zu werden, schlug sie nicht aus, denn wann bot sich schon mal die Gelegenheit, in den Genuß eben jener Salbe zu kommen, die angeblich unter den Mauern von Troja so gute Dienste geleistet hatte – obwohl angesichts der tiefen Fleischwunden, zersplitterten Knochen und hervorquellenden Eingeweide, die Homer schildert, der Anblick Achills’ mit einem kleinen Gefäß voll klebrigem Zeug nicht besonders tröstlich gewesen sein konnte.
    Die Salbe verströmte einen durchdringenden scharfen Geruch (gut, ihr Riechorgan funktionierte also noch) und brannte zunächst ein bißchen, entfaltete aber bald eine angenehm schmerzstillende Wirkung.
    Während sie auf diese Weise verarztet wurde, war sie froh, daß sie fürs erste von der Vorstellung abgelenkt wurde, was unterdessen mit Kelly passierte, lauschte aber dennoch angestrengt. Doch es waren keine Schreie zu hören, oder sie waren nicht laut genug, um den Sturm zu übertönen, der mit unverminderter Heftigkeit gegen das solide Glas hämmerte.
    Daß sie nichts hörte, erschien ihr allerdings wenig tröstlich. Vielleicht hatte Jorge Kelly in den Keller gebracht oder sie einfach geknebelt, was jedoch widersinnig erschien, wenn er Informationen über den verschwundenen Chiquillo aus ihr herauspressen wollte.
    »Was unternehmen wir wegen Kelly?« flüsterte sie Feenie zu, als die alte Frau den Salbenverband kritisch unter die Lupe nahm.
    »Was in unserer Macht steht«, erwiderte Feenie und warf einen vielsagenden Blick auf den kleinen Ajax. Er hatte auf dem wackligen Stuhl Platz genommen, dessen Beine sich unter der Last spreizten wie die eines Gewichthebers beim Stemmen. »Und möglichst ohne weitere dilettantische Heldentaten, wenn ich bitten darf.«
    Ellie wurde so wütend, daß sie einen Augenblick ihre Schmerzen vergaß. Daß ihr Akt des Widerstands keine Unterstützung gefunden hatte, war schlimm genug, aber dafür auch noch getadelt zu werden schlug dem Faß den Boden aus.
    »In Gottes Namen«, zischte sie. »Wir können doch nicht hier rumsitzen …«
    »Doch, können wir«, unterbrach sie Feenie. »Wir können hier sitzen wie begossene Pudel. Wir wollen erst einmal unseren Freund hier an die Vorstellung gewöhnen, daß wir als Gruppe keine Bedrohung darstellen. Dann wird er gar nicht erst auf die Idee kommen, daß ein einzelnes Mitglied der Gruppe auch nur im mindesten gefährlich werden könnte.«
    Für Ellie hörte sich das an wie blanker Defätismus. Sie wollte schon eine wütende Antwort geben, hielt sich dann aber zurück. Feenie war alt. Jetzt sah Ellie zum ersten Mal, wie alt. Sie hatte in ihr stets die unerschrockene Kämpferin gegen das Unrecht auf der Welt gesehen, so daß das Bild der alten Stadtstreicherin, das andere wahrnahmen, sie wie ein Schock traf. Schlimmer noch, ihr zerfurchtes, eingesunkenes Gesicht war jetzt tränenverschmiert, und ihr ganzer Körper wirkte verfallen wie ein ausgeschlachtetes Bergwerk, dessen Abstützungen verrottet sind.
    Wendy Woolley legte schützend den Arm um Feenie und drückte ihren Kopf an ihre Schulter. Dabei warf sie Ellie einen zornigen, vorwurfsvollen Blick zu und flüsterte dann der alten Frau tröstende Worte ins Ohr. Nach einer Weile gab Feenie Antwort, aber so leise, daß Ellie nichts verstand. Dann richtete Wendy ihren Blick auf Ajax, hob auch diesmal die Hand wie im Klassenzimmer und murmelte: »Entschuldigung.«
    Entweder merkte er es nicht, oder er zog es vor, wie ein sadistischer Lehrer auf seinem Stuhl zu thronen und sie nicht zu beachten.
    »Entschuldigen Sie, bitte«, wiederholte sie etwas lauter.
    Jetzt war er auf sie aufmerksam geworden. Sie merkten das, weil er die Pistole, die locker in seiner Hand gebaumelt hatte, nun auf sie richtete.
    »Miss Macallum muß auf die Toilette«, erklärte Wendy.
    Der kleine Ajax starrte sie verständnislos an. Kapierte er es nicht? fragte sich Ellie.

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