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Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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klassizistisch wirkte. Er hatte eindeutig Schlagseite nach Steuerbord. Oder war es backbord? Sie stapfte ein paar Meter weiter, dann schaute sie sich wieder um. Jetzt bewegte er sich eindeutig. Es wäre sie beinahe teuer zu stehen gekommen, daß sie sich von dem Anblick in den Bann ziehen ließ. Sie rutschte im Matsch aus und wäre vielleicht unter die Räder geraten, wenn Uncumber, die hinter ihr ging, sie nicht am Arm gepackt und hochgezogen hätte.
    »Danke«, keuchte sie. Dann sagte sie mit einer nüchternen Sicherheit, die sie selbst überraschte: »Du bist Bruna, stimmt’s?«
    »
Si
. Und du bist Ellie, Mistress Pascoe. Ich sagte dir, wenn du nicht mehr nach mir Ausschau hältst, tut eine Tür sich auf, und da bin ich.«
    »Wirklich?« sagte Ellie. »Das weiß ich nicht mehr. Aber Fidel … Chiquillo … dein Bruder …«
    »Vor langen Jahren begraben auf einer Lichtung in unseren Wäldern, wo niemand seine Ruhe stören kann«, erwiderte Bruna.
    Das ergab keinen Sinn. Alles war so unwirklich. Aber wie sollte es anders sein, wenn man schon dem Boden unter den Füßen nicht mehr trauen konnte?
    Sie warf noch einen Blick zurück. Bruna lächelte, aber Ellie schaute an ihr vorbei.
    Verdammt! Sie hatte es verpaßt. War es nicht immer so? Peter behauptete immer steif und fest, daß die Engländer garantiert dann ein Tor schossen, wenn er mal kurz zum Pinkeln rausging.
    Wo Mungo Macallums Vergnügungspavillon, sein Kommandoposten, sich einst erhoben und die Natur in eine Abendunterhaltung für Dinnergäste verwandelt hatte, gähnte jetzt der leere Raum.
    Nein, nicht leer. Erfüllt mit dem Triumph der Wolken und des Meeres, des Windes und des Himmels.
    Dann gelangten sie auf etwas festeren Boden und überwanden die rote Plastikabsperrung. Jetzt war die Festbeleuchtung der Terrasse zu sehen, und Ellie kehrte in das Leben zurück, das sie vor einer Million Jahren hinter sich gelassen hatte.
    Die nächste Stunde verstrich wie im Traum. Ellie war wieder mit Peter vereint, und nachdem sie mit Wield in Nosebleed telefoniert und gehört hatten, daß Rosie in ihrem Bett tief und fest schlief, Tigs Kopf neben sich auf dem Kissen und Carla zu ihren Füßen, hatten sie ihre Erlebnisse ausgetauscht, sich umarmt und erstaunlicherweise viel gelacht, als würde die Zeit bereits das beinahe tragisch ausgegangene Erlebnis mit komödienhaften Zügen versehen.
    Ellie und Bruna hatten sich unter Tränen umarmt, aber da die Zeit drängte, hatte die Kolumbianerin ihre Geschichte nur mit knappen Worten erzählen können. Ihr Bruder war von Regierungstruppen tödlich verwundet worden, und als er starb, hatten seine engsten Genossen, die einsahen, daß der Einfluß von PAL fast ausschließlich auf Chiquillos charismatischer Persönlichkeit beruhte, Bruna überredet, an seine Stelle zu treten. Das Täuschungsmanöver war erfolgreich verlaufen, und als Bruna schließlich bei einem sorgfältig gelegten Hinterhalt den Regierungsleuten in die Falle ging, hatte sie die Legende von Chiquillos nahezu magischer Fähigkeit, sich seinen Feinden zu entziehen, bestärkt, indem sie wieder zu Bruna wurde, sich festnehmen und ins Gefängnis werfen ließ.
    »Und dann hat Kelly – ich meine, Corny – ihre Großmutter dazu bewegt, dich auf die Korrespondenzliste von Liberata zu setzen«, sagte Ellie. »Kennst du Corny schon lange?«
    Sie stellte die Frage beiläufig, aber Bruna antwortete lächelnd: »Wir lieben uns, seit wir uns vor vielen Jahren begegnet sind. Wenn ich im Kerker liege, hilft sie, Chiquillo lebendig zu halten, indem … aber ich glaube nicht, daß diese Dinge für deine Ohren bestimmt sind. Du hast dein Leben, das zu meinem zu machen ich mich im Kerker sehnte, und darin ist kein Platz für all dies Morden.«
    Eine Frage konnte sich Ellie aber doch nicht verkneifen: »Verzeih mir, dein Schnurrbart, er sieht ziemlich echt aus.«
    »Das ist er auch, er hält Wind und Wetter stand«, erwiderte Bruna. »Früher, als ich vorgab, Fidel zu sein, war er falsch, so daß jene, die einen Blick auf mich erhaschten, sich täuschen ließen. Aber im Gefängnis, die Wachen … ich brauche dir nicht zu sagen, wie die Wachen sind … und langsam legt mein Körper eine neue Maske an, meine Brüste werden klein, und diese echten Haare wachsen auf meiner Lippe, so daß ich am Ende zu etwas werde, was diese Männer nicht begehren. Aber jetzt, da ich frei bin, werde ich allmählich wieder zur Frau.«
    Also doch die heilige Uncumber, dachte

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